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Nach dem großen ErdrutschNeue Risse in Nachterstedt entdeckt

Bergbauexperten warnen vor weiteren möglichen Erdrutschen. Die Absperrungen am Concordia-See wurden verstärkt. Für die drei Vermissten gibt es keine Hoffnung mehr.

Abbruch in den See: Seit Samstag stehen hier zwei Häuser weniger. Bild: ap

NACHTERSTEDT dpa | Zwei Tage nach dem verheerenden Erdrutsch am Tagebausee in Nachterstedt (Sachsen-Anhalt) haben Experten in der Nähe der evakuierten Häuser neue Risse im Erdreich entdeckt. "Es ist nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Abbrüchen kommt", sagte der Sprecher des Bergbau-Unternehmens LMBV, Uwe Steinhuber, am Montag in Nachterstedt.

Die Polizei verstärkte die Sicherheitsabsperrungen. Für die drei vermissten Bewohner, die vermutlich mit ihrem Haus in den Tagebausee gerissen wurden, gibt es keine Hoffnung mehr, dass sie noch am Leben sind. Die ganze Nacht über wurde mit einer Wärmebildkamera nach ihnen gesucht, jedoch ohne Erfolg.

Mittlerweile haben die Einsatzkräfte die Suche eingestellt. Es gebe keine Überlebenschancen mehr und keine Möglichkeit, die Opfer zu bergen. Dies sagte Sachsen-Anhalts Innenstaatssekretär Rüdiger Erben (SPD) am Montag in Nachterstedt.

"Auch dieser Versuch hat uns keine Erkenntnisse über Standorte von lebenden oder nicht lebenden Personen gebracht", sagte der Landrat des Salzlandkreises, Ulrich Gerstner (SPD). Als letzte Möglichkeit, die Vermissten doch noch im Concordia-See zu orten, gilt ein Einsatz der Bundeswehr.

Ein Pionier-Erkundungstrupp sollte im Laufe des Montags prüfen, ob Bundeswehrtechnik eingesetzt werden kann. Es handelte sich um Angehörige des Panzerpionierbataillons aus Havelberg im Norden Sachsen-Anhalts.

Über die genaue Unglücksursache herrscht weiter Rätselraten. "Alles was im Raum steht, ist spekulativ", sagte der Sprecher der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), Steinhuber.

Er betonte, sein Unternehmen werde den rund 40 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, zur Seite stehen. "Wir wollen unbürokratisch und unter Zurückstellung offener rechtlicher Fragen schnell helfen", sagte er. Die LMBV will dazu bis Dienstag eine Kontaktstelle in Nachterstedt einrichten.

Am frühen Samstagmorgen war urplötzlich eine etwa sechs Fußballfelder große Fläche in den See gerutscht und hatte ein Doppelhaus und die Hälfte eines Mehrfamilienhauses mehr als 100 Meter mit in die Tiefe mitgerissen. Seitdem werden ein Ehepaar und ein Mann im Alter von 48, 50 und 51 Jahren vermisst.

Wegen der unsicheren Lage verstärkte die Polizei am Montag die Absperrungen an den Ufern des seit einigen Jahren als Freizeitsee genutzten Gewässers im Harzvorland. Aus Sicherheitsgründen sollten mehrere Waldwege zugeschüttet werden.

"In der Gefahrenzone besteht Lebensgefahr", sagte ein Polizeisprecher. "Es es ist um den See mindestens weiterhin so gefährlich wie bisher, wenn nicht sogar gefährlicher geworden", sagte Rüdiger Erben (SPD), Staatssekretär des Landesinnenministeriums, in einem dpa-Gespräch.

"Dass die betroffenen Menschen am Sonntagabend kurzzeitig in ihre Häuser konnten, um das Notwendigste zu holen, hat zur emotionalen Entspannung beigetragen", sagte Erben. Er machte den Betroffenen wenig Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in ihre Häuser. "In absehbarer Zeit kann man dort sicherlich keinen Bezug dieser Häuser versprechen. Das wäre sicherlich sehr unseriös."

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1 Kommentar

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  • H
    hallo

    So wie es aussieht wurde der Tagebau bis knapp vor die Häuser ausgedehnt - offenbar zu knapp. Das dumme daran: Auch andernorts wurden und wird die Braunkohle bis dicht an bestehende Ortschaften abgebaggert. So wurde anscheinend der Abbau optimiert, um möglichst viel Kohle zu scheffeln, aber teure und unbeliebte Dorfumsiedlungen möglichst zu vermeiden.

    Falls sich nun herausstellt, dass zu viele Häuser zu dicht an Tagebaukanten stehen steht deutschlandweit eine Evakuierungswelle bevor.

    Undenkbar? Das glaubte man vor den Achsbrüchen der ICEs, S-Bahnen und Güterzüge auch.