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Nach dem griechischen ReferendumPortugiesische Maulhelden

Zu Hause bei Fremden

von MiguelSzymanski

Am Montag „Breaking News“ bei n-tv: Die deutsche Regierung sehe „zurzeit“ keine Grundlagen für ein drittes Rettungspaket für Griechenland. Um 10.50 Uhr klingelt bei mir in Portugal das Telefon, der taz-Ressortleiter taz fragt mich, wie am Tag nach dem griechischen „Ochi“ die Stimmung hier ist. Ich sitze am Steuer auf der Maut-Autobahn, die sich viele Portugiesen nicht mehr leisten können. Meinen Urlaub musste ich unterbrechen und bin unterwegs zum Begräbnis meines letzten Großonkels – das komplette Programm mit Messe in der Basílica da Estrela in Lissabon und Leichenzug.

Um 11.23 Uhr schalte ich das Autoradio ein, die Kanalsuche stoppt auf Antena 1, einem staatlichen Sender. Ich höre noch das Ende der Frage, irgendetwas „nach dem Nein der Griechen”. Dann eine Männerstimme: „Jetzt muss der Schäuble zurücktreten, dieser Nazi, dieser Faschist.“ Oh Gott, gutes Timing.

Sofort danach die Meinung eines zweiten Hörers: „Die Deutschen haben den Ersten und den Zweiten Weltkrieg mit Kanonen und Panzern verloren, jetzt versuchen sie mit Geld zu herrschen.” Beim dritten Zuhörer (Stichwort: Lebensraum) schalte ich ab.

Es ist so, als stünde nicht Griechenland am Pranger, sondern Deutschland. Zum Begräbnis meines Onkels – er war Professor an der Uni Lissabon – ist auch der Präsidentschaftskandidat António Sampaio da Nóvoa gekommen. Der sagte schon am frühen Morgen, das „griechische Nein sei mutig”, man müsse die „falsche Austeritätspolitik beenden“. Die Wahl des neuen Präsidenten ist erst 2016, vorher wird ein neues Parlament gewählt.

Die Regierungspartei PSD dagegen schimpft auf Griechenland, als würde sie von der Konrad-Adenauer-Stiftung pro Tirade bezahlt. Bei den Sozialisten schlagen die Meinungen Kapriolen: Morgens ist Griechenland ein Leuchtturm der Demokratie, abends sind die Griechen unverantwortliche Geisterfahrer.

Aber überall werden Stimmen der Bewunderung für das griechische Nein laut. „Der Trunkenbold“ Juncker und „der Hochstapler“ Dijsselbloem seien Marionetten der Strippenzieher in Berlin.

Aber wird sich etwas ändern, wenn im Herbst abgestimmt wird? Mehrere Antiausteritätsbewegungen haben sich in Portugal formiert, doch keine kommt an Syriza oder Podemos heran. Die CDU (Kommunisten) und der Bloco de Esquerda dürften in den nächsten Parlamentswahlen im Herbst auf über 20 Prozent kommen. Das reicht nicht, denn keine von beiden will mit den Sozialisten eine Regierung bilden. Wenn nichts Unerwartetes passiert, hat „Merkels Mann in Lissabon“, wie der jetzige Premier Pedro Passos Coelho genannt wird, gute Chancen, am Ruder zu bleiben.

Warum schimpfen Portugiesen so laut, und dann passiert doch nichts? Die ehemaligen „Capitães de Abril“, die alten Militäroffiziere der Nelkenrevolution, drohen zwischendurch sogar mit der Notwendigkeit eines neuen Putsches wie 1974. Trotzdem gibt es in Portugal bisher keine Bewegung, die das System direkt gefährden kann. Die Menschen sehen Portugal als das sprichwörtliche „Land der sanften Sitten“. Wir sind feige. Wir lassen die anderen kämpfen, sagen sie.

Ich erkläre es so: Wir Portugiesen sind Maulhelden; wenn es handgreiflich zu werden droht, sagen wir: „Haltet mich fest, sonst passiert etwas, haltet mich bloß fest.“ Im Gespräch sind die Menschen mutig. Wenn es dagegen zur Wahlsache geht, tragen sie ihr Kreuz und wählen das altbekannte Übel.

Doch wenn Podemos in Spanien gewinnt, ist Portugal im Schlepptau der Geschehnisse, mit oder ohne sanfte Sitten.

Wir sind zwar noch stolzer als die Katalanen, aber kaum mehr als eine spanische Provinz.

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