Nach dem Volksentscheid in Bayern: Rauchgegner im Machtrausch
Die Bayern stimmen in einem Volksentscheid für das strengste Rauchverbot Deutschlands. Kommt jetzt ein bundesweit einheitliches Rauchverbot?
MÜNCHEN/BERLIN taz | Am Sonntagabend feierten die Initiatoren des Aktionsbündnisses "Ja zum Nichtraucherschutz" in Bayern ihren großen Triumph, am Montag legte Initiator Sebastian Frankenberger gleich nach: Weil in einem Volksentscheid 61 Prozent der Wähler für das strengste Rauchverbot inDeutschland votiert haben, fordert Frankenberger jetzt eine bundesweite Abstimmung und kündigte an, das Recht dazu notfalls zu erstreiten.
Einfach dürfte das jedoch nicht sein. Momentan hat jedes Bundesland seine eigenen Raucherregeln. Die SPD-Politikerin Carola Reimann, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, tritt deshalb mit der Initiative "Parlamentariergruppe Ni(e)kotin" für gleiche Gesetze in ganz Deutschland ein und versucht, Politiker aus allen Fraktionen für diese Idee zu gewinnen. Im Arbeits- oder Gesundheitsrecht sollte ihrer Meinung nach ein striktes Rauchverbot ohne Ausnahmen in ganz Deutschland verankert sein, was nach einem vor zwei Jahren gefällten Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch möglich wäre.
In der Regierungskoalition stößt diese Initiative auf wenig Resonanz. "Die Bundesländer haben das vernünftig geregelt. Für eine einheitliche Regelung sehe ich weder die Notwendigkeit noch die juristische Grundlage", sagte Karin Maag der taz - sie ist in der Bundestagsfraktion der Union für das Thema zuständig. Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die FDP-Politikerin Mechthild Dyckmans, konstatierte zurückhaltend, dass die Bürger wohl klare Regeln ohne Ausnahmen wünschen, wollte sich allerdings nicht zu einer deutschlandweiten Regelung äußern.
Sebastian Frankenberg, 28-jähriger Stadtrat für die ÖDP (Ökologisch-Demokratische Partei) in Passau, will sich mit einer Petition an den Bundestag wenden, bundesweite Volksentscheidungen zuzulassen. Zugleich prüft er eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Nach Zahlen des Gesundheitsministeriums befürworten derzeit drei Viertel der Deutschen die bisherigen Gesetze zum Nichtraucherschutz. In einigen Bundesländern seien bereits Abstimmungen nach bayerischem Vorbild in Vorbereitung, sagte Frankenberger.
In Bayern hat Frankenberger mit einer Wahlbeteiligung von 37,7 Prozent ein Gesetz durchgesetzt, das die Regierung eigentlich einmal selbst entworfen hatte. 2008 sorgte die CSU-Regierung mit einem fast ausnahmslosen Rauchverbot in Gaststätten für Unmut bei Bayerns Wirten. Ein Landtagswahldebakel später führte die neue CSU-FDP-Regierung großzügige Ausnahmen für Einraumkneipen, Nebenräume und Bierzelte ein. Die Ausnahmen haben Bayerns Bürger nun per Abstimmung gekippt.
"Liebe Staatsregierung, lieber Herr Seehofer, vielleicht sollten Sie öfter das Volk fragen", frohlockte Frankenberger jetzt. "Wenn Sie ein gutes Gesetz machen, bleiben Sie dabei." SPD und Grüne hatten das Aktionsbündnis unterstützt. Die Bürger seien des jahrelangen Hin und Hers der CSU überdrüssig, meinte die Generalsekretärin der Bayern-SPD, Natascha Kohnen.
Während die CSU zum Volksentscheid schwieg, machte die FDP aktiv Werbung gegen das strenge Verbot. Der gelockerte Nichtraucherschutz in Gaststätten war ein zentrales Wahlversprechen der FDP im Landtagswahlkampf. Entsprechend sauer sind die Liberalen nach der Niederlage auf den schweigsamen Koalitionspartner. Die bayerische FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß polterte: "Das Wegducken beim Rauchverbot war leider wieder einmal ein Fall, in dem die CSU eine zuvor getroffene Koalitionsentscheidung nicht nachdrücklich vertreten hat."
Immerhin will Bayerns FDP das Ergebnis des Volksentscheids akzeptieren. Der Chef der trotz großzügiger Unterstützung durch die Tabaklobby erfolglosen Gegenkampagne "Bayern sagt Nein", Franz Bergmüller, gab sich dagegen als schlechter Verlierer und drohte, das Ergebnis werde zu "einer weiteren Spaltung und Denunziantentum" führen.
Sieger Sebastian Frankenberger will sich zunächst aus der Politik "ein bisschen zurückziehen", er muss Geld verdienen. Er arbeitet als Stadtführer. Die bayerischen Raucher können sich mit dem Warten auf das Oktoberfest trösten. Dann dort darf, dank Sondergenehmigung, ein letztes Mal im Bierzelt geraucht werden.
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