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Nach dem Urteil gegen GarzónKarriere kaputt, der Ruf bleibt

Konservative und Rechte bejubeln das Urteil gegen Baltasar Garzón. Der Richter hat mächtige Feinde: die Drogenmafia, Separatisten der ETA, Politker aller Coleur.

Garzón-Unterstützer halten ein Plakat mit Vermissten des Spanischen Bürgerkriegs – doch am Ende jubelten Garzóns Gegner. Bild: reuters

MARDIRD taz | Wer ist dieser Richter Baltasar Garzón? Ein Blick auf die Reaktionen nach dem Urteil gibt Aufschluss. Die der schweren Korruption beschuldigten konservativen Politiker und Unternehmer feierten ebenso wie die radikale Rechte. Der konservative Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón verlangt Respekt vor dem Urteil.

Ihm schließen sich auch Politiker aus dem gegnerischen politischen Lager an. Der ehemalige Innen- und Justizminister unter dem Sozialisten Felipe González, Juan Alberto Belloch, ist einer davon. Er nimmt den Vorsitzenden des Richtergremiums, das das Urteil gesprochen hat, als ehrenwerten Juristen in Schutz. Dass dieser im zweiten Verfahren gegen Garzón in Sachen Ermittlungen gegen die Verbrechen der Franco-Diktatur rechtsradikalen Klägern half, die Anklageschrift regelgerecht zu verfassen, stört den Politiker nicht.

Starermittler Garzón, der 22 Jahre lang am Strafgericht in Madrid tätig war, hat viele Feinde - überall. Ob die Drogenmafia oder die Separatisten von ETA, ob Diktatoren oder Militärs, die sich der Folter und dem Verschwindenlassen Zehntausender schuldig gemacht haben, ob korrupte Politiker, egal welcher Couleur, Garzón ermittelte gegen alle.

Sie waren sich seiner überdrüssig und verschworen sich zu einer unheiligen Allianz, um den bei vielen Spaniern beliebten Richter zu stoppen. Der Sohn einer einfachen Familie aus Südspanien, der sich sein Studium an einer Tankstelle verdiente, hat das internationale Recht in den letzten Jahren geprägt wie kaum ein Zweiter.

Seine Ermittlungen gegen den chilenischen Diktator Augusto Pinochet sind ein Meilenstein in der juristischen Auffassung dessen, wie mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit umgegangen werden soll. Die international herrschende Meinung besagt, dass sie nicht verjähren und nicht amnestierbar sind. Deshalb ermittelte der Jurist in Spanien mit den gleichen Kriterien gegen die hausgemachten Verbrechen der Franco-Diktatur. Das war - neben dem Korruptionsfall "Gürtel" - der entscheidende Schritt zu viel.

Die Karriere des Richters, der in den letzten Monaten als Berater am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag tätig war, ist vorbei. Sein Ruf bleibt, und er ist mit sich im Reinen: "Das Gericht des Menschen ist sein Gewissen, sagte Kant. Meines ist ruhig", verabschiedete sich Garzón am Mittwoch in seinem Schlusswort im Verfahren gegen seine Ermittlungen der Verbrechen der spanischen Franco-Diktatur.

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7 Kommentare

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  • WS
    Wolfgang Schulz

    Willkommen in der Ukraine! Die spanische "Justiz" wäre eine Lachnummer, wären die Konsequenzen der Rechtsprechung nicht so überaus real und fatal für Spanier und Europäer gleichermaßen. Von der unheiligen Allianz aus kriminellen Bauträgern, korrupten Notaren und bestochenen Richtern, die u.a. deutsche Immobilienbesitzer in Spanien professionell abzockt über wohlfeile Urteile zugunsten korrupter Politiker, die sich hemmungslos an öffentlichen, gerne auch europäischen Fleischtöpfen bereichern bis hin zu diesem desillusionierenden Skandalurteil neidzerfressener, viertklassiger "Richter" über ihren Kollegen Garzón, ein Urteil, diktiert von der regierenden PP, das für die spanischen "Sozialisten" sogar noch i.O. geht. Kein Wunder, erwiesen sie sich in ihren langen Perioden an der Macht als ebenso korrupt wie die alten Seilschaften aus der Francozeit. Es ist an der Zeit, dass wir Europäer über unsere politischen Repräsentanten deutliche Worte finden, damit die Spanier zumindest von außen hören, dass ihre Justiz der einer Bananenrepublik würdig ist und dass sie nicht weiter so tun sollten, als handele es sich bei Spanien um einen Rechtsstaat.

  • M
    miri

    Hat niemand einen anständigen Job für diesen verdienten Mann, z.B. auf internationaler Basis? Das kann doch so nicht bleiben! Werden integre Leute nicht überall gebraucht?

  • F
    Fofi

    Ein Aufrechter hat hier 'viel Feind - viel Ehr'. Bei der "Abhöraffäre" handelt es sich wohl eher um die Verhinderung von Verdunklung der Straftaten der in Untersuchungshaft Einsitzenden. Diese wollen ja offenbar ihre Beute in Sicherheit bringen. Ich bewundere Richter Garzón und wünsche ihm ein langes Leben. Der braune Filz ist nicht sichtbar.

  • R
    reblek

    Vorspann: "Der Richter hat mächtige Feinde: die Drogenmafia, Separatisten der ETA, Politker aller Coleur."

    Text des Autors: "Politiker, egal welcher Couleur."

    Da es "Coleur" in keiner Sprache gibt, ist es ganz angemessen, denn "Politker" gibt es auch nicht. Wer tut den AutorInnen der taz so etwas im Vorspann immer wieder an?

  • KK
    Karl K

    Na bitte, geht doch.

     

    ( bis auf den erneuten "Starermittler;" 

    meine Großmutter, Hera, die Göttermutter, hatte auch nen Star,

     den grauen)

     

    Anyway; les' ich so, was auf Heise:

     

    http://www.heise.de/tp/blogs/8/151235

     

    verzapft wird ( kann die dortigen Vor- und Anwürfe nicht wirklich beurteilen),

    so weisen Garzóns bisherige "Lebensrösselsprünge" doch auch systemisch über den Tag hinaus.

    Und zwar für die EU insgesamt.

     

    Spanien hat in Anlehnung an die italienische Conseil-Selbstverwaltungslösung der Justiz ebenfalls wie Portugal eine Conseillösung für seine Justiz eingeführt.

     

    Diese im ItalienvorBerlusconi von 

    ca 50!! RichterInnen konzipierte und durchsetzte Selbstverwaltung der Justiz entmachtete den Justizminister

    (" richterliche Unabhängigkeit? mir doch egal, solange ich über Ernennung, Beförderung und Entlassung entscheide).

    Führte quasi ein Einheitsamt und eine Einheitsbesoldung ein.

    ( Zwei als MinisteriumsSpäher hinter mir sitzende  OLG-Richter " höhö, dann werd ich später wieder Amtsrichter in Düren! " Auf das Beispiel des italienischen Kollegen über einen Gerichtspräsidenten eines Obergerichtes, der ab 55 lieber wieder als Amtsrichter in Palermo tätig sein wollte.)

     

    Klar, dass sich die verschiedenen politischen Strömungen in der Zusammensetzung des von den Richtern gewählten Conseil widerspiegeln ( müßten).

     

    Die spannende Frage also - dennoch/gerade-deswegen? eine einstimmige !! Verurteilung Garzóns - wie geht das? 

    Müßte systemtheoretisch gedacht, nicht eine pluralistischere Zusammensetzung des Gerichts zu erwarten sein?

    Alles  Reaktionäre und der Rest Duckmäuser?

    Oder verhindert die ConseilLösung solches gar nicht?

     

    Da die Conseil-Lösung in Europa auf dem Vormarsch ist, Frankreich, Niederlande (die tumben Teutonen werden trotz Schnarri als Letzte einschwenken; gleich nach den eigentlich reaktionäreren, aber fescheren Österreichern ) sind das Fragen, deren Beantwortung bzw reale Umsetzung über die Gerechtigkeit in Europa entscheiden.

     

    Und das ist wie Hartz IV zeigt vor allem eine zutiefst materielle Frage.

    Schon der in der SPD völlig vergessene Hermann Heller

    (ihr Kronjurist und DER Gegenspieler das charakterfreien Carl Schmitt)

    befand: " was gibt es materielles als das Haushaltsgesetz?"

    Womit wir auch bei Griechenland, Rettungsschirm etc wären. 

     

    Aber das gehört denn doch in einen anderen Kommentar.

  • T
    Torben

    Ermittlungsrichter?!

     

    Ein Konzept, das uns in Deutschland nicht so geläufig ist. Vielleicht sollte in den Artikeln diesbezüglich deutlicher differenziert werden. Hierzulande werden analog eher einmal Staatsanwälte aus dem Verkehr gezogen, wenn sie den Falschen unbequem werden.

  • MN
    Mr. Niceguy

    Balsam für die Seele. Er mag seine Ecken und Kanten gehabt haben wieder jeder Mensch auf diesem Planeten, dafür war sein Rechtsempfinden am richtigem Platz.

     

    So Menschen geben Hoffnung, Hoffnung das es noch ein "Grenzenlose Rechtsprechung" gibt, ohne Einschränkungen jeglicher Art!

     

    Danke.