Nach dem Umsturz in Syrien: Schlechte Stimmung zwischen Teheran und Damaskus
Die neuen Machthaber in Syrien sollten sich nicht zu früh über ihren Sieg freuen, sagt der iranische Außenminister Abbas Araghtschi. Sein syrischer Amtskollege wiederum warnt Iran davor, „Chaos zu verbreiten“.
Dies gelte für alle Seiten, und deshalb sollten sich auch diejenigen, „die sich derzeit als sichere Sieger fühlen“, nicht zu früh freuen, erklärte der iranische Chefdiplomat laut der Nachrichtenagentur Isna.
Der Außenminister der syrischen Übergangsregierung, Asaad Hassan al-Schaibani, hat den Iran zuvor davor gewarnt, „Chaos in Syrien zu verbreiten“. Teheran müsse „den Willen des syrischen Volkes und die Souveränität und Sicherheit des Landes respektieren“, schrieb er auf der Plattform X. Man sehe den Iran als verantwortlich für „die Konsequenzen der jüngsten Stellungnahmen“, schrieb der Außenminister der Übergangsregierung in Syrien unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) zudem.
Al-Schaibani bezog sich dabei offensichtlich auf Äußerungen von Irans Staatsoberhaupt, Ajatollah Ali Chamenei. Dieser hatte gesagt, er rechne nach dem Machtwechsel in Syrien mit einem erneuten Widerstandskampf von Syrern gegen die neuen Strukturen im Land. Vor allem die syrische Jugend werde erneut Widerstand gegen diejenigen leisten, die ihr Land und ihre Zukunft wiederholt unsicher gemacht hätten.
Der Sturz des langjährigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad war ein schwerer Schlag für den Iran, der seine gesamte Nahostpolitik dadurch geschwächt sieht. Assad galt als strategisch wichtiger Verbündeter Irans in der selbsternannten „Achse des Widerstands“ gegen den Erzfeind Israel. Zudem diente Syrien als Korridor für iranische Waffenlieferungen an die Hisbollah-Miliz im Libanon. Deshalb unterstützte das Land Assad großzügig, sowohl finanziell als auch militärisch, und brandmarkte das Bündnis HTS als terroristisch.
Zwar behauptet Teheran, inzwischen diplomatische Kontakte zu den neuen Machthabern in Syrien zu unterhalten, doch die Erlaubnis zur Wiedereröffnung der Botschaft in Damaskus steht weiterhin aus. Zudem hat das syrische Bündnis Haiat Tahrir al-Sham (HTS) iranischen Fluggesellschaften verboten, Damaskus anzufliegen.
Syrische Christen begehen erstes Weihnachten nach Assad-Sturz
Derweil haben Christen in Syrien, begleitet von strengen Sicherheitsmaßnahmen, erstmals seit dem Sturz von Assad Weihnachten gefeiert. Mit der HTS verbundene Sicherheitskräfte seien außerhalb von Kirchen und in Vierteln mit christlicher Mehrheit in Damaskus positioniert worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. An vielen Orten vom Süden bis Norden Syriens hätten Kirchen für Weihnachtsfeiern ihre Tore geöffnet.
„Heute sind viele Sicherheitskräfte zum Schutz von Kirchen im Einsatz, weil Sabotage befürchtet wird, aber die Dinge sind normal“, sagte Nicola Jazgi, die an einer Weihnachtsmesse im Osten von Damaskus teilnahm. In diesem Jahr gebe es doppelten Grund zum Feiern, sagte Jazgi. „Weihnachten und der Sieg der Revolution und der Sturz des Tyrannen. Wir hoffen, dass heute der Tag der Erlösung von der Ära der Ungerechtigkeiten der Assad-Familie ist.“
Nach Assads Sturz herrschte unter Minderheiten im Land zunächst Unsicherheit, auch Christen hatten Sorge vor Repressalien. Am Montagabend hatten Unbekannte in Al-Sukailabija in der Provinz Hama den Weihnachtsbaum in Brand gesetzt. Eine Person wurde festgenommen. Hunderte von Menschen, Christen und Muslime, demonstrierten am Montagabend in der Hauptstadt Damaskus und anderen Städten gegen die Tat.
1 Million Captagon-Pillen vernichtet
Die neuen Machthaber in Syrien haben am Mittwoch außerdem große Mengen an Drogen verbrannt, darunter etwa eine Million Captagon-Pillen. Ein Videojournalist der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, wie in der Hauptstadt Damaskus im Hof eines Gebäudes des früheren syrischen Sicherheitsapparats Feuer an die Drogen gelegt wurde. „Wir haben eine große Menge Captagon gefunden, etwa eine Million Pillen“, sagt ein Vertreter der neuen Machthaber.
Bei dem Drogenfund handelte es sich um ein Lager mit Cannabis, dem Schmerzmittel Tramadol und etwa 50 Tüten mit rosafarbenen Captagon-Pillen, wie der AFP-Journalist feststellte.
Der Handel mit Captagon hatte Syrien unter dem gestürzten langjährigen Machthaber Baschar al-Assad zum größten Drogenstaat der Welt gemacht. Captagon war das mit Abstand wichtigste Exportgut Syriens und stellte alle legalen Ausfuhren in den Schatten, wie Recherchen von AFP auf der Grundlage offizieller Daten 2022 ergeben hatten.
Im Nahen Osten ist Saudi-Arabien der größte Markt. Dort ist Captagon die Partydroge der reichen Elite und weit weniger tabu als Alkohol. Aber auch einfache Arbeiter putschen sich damit auf, um dem höllischen Arbeitstempo standhalten zu können. Ursprünglich wurde Captagon als Medikament gegen Narkolepsie und Aufmerksamkeitsstörungen verwendet.
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