Nach dem Mord in London: Polizei befürchtet Nachahmer
Die Polizei geht bei dem Mord an einem Soldaten von einem islamistischen Hintergrund aus. Wohnungen wurden durchsucht, zwei weitere Verdächtige wieder freigelassen.
DUBLIN taz | Die beiden Attentäter, die den 25-jährigen britischen Soldaten Lee Rigby am Mittwoch mit Macheten und Fleischermessern im Londoner Stadtteil Woolwich getötet haben, waren dem Geheimdienst MI5 seit acht Jahren bekannt. Doch der schätzte sie als Randfiguren ein und beobachtete sie nur sporadisch.
Die Täter, der 28-jährige Michael Olumide Adebolajo und der 22-jährige Michael Adebowale, sind Briten nigerianischer Abstammung. Adebolajo kommt aus einer christlichen Familie, konvertierte jedoch 2003 zum Islam. Er wurde von dem radikalen islamischen Prediger Omar Bakri Mohammed unterrichtet, der Großbritannien 2005 aus Angst vor einer Verhaftung verließ und seitdem Einreiseverbot hat.
Der „Tottenham Ayatollah", wie die britische Presse ihn taufte, hatte dazu aufgerufen, die Feinde des Islam zu enthaupten. In einem Interview mit dem Independent sagte Bakri gestern über den Mord an Rigby. „Laut Islam kann das gerechtfertigt sein. Er hat ja keine Zivilisten angegriffen, sondern einen Mann vom Militär. Für die Menschen im Nahen Osten ist er ein Held."
Der zweite Täter, Adebowale, war in Greenwich, dem Nachbarviertel von Woolwich, gemeldet. Die Polizei durchsuchte am Donnerstag sein Haus und verhaftete zwei Personen. Die beiden sind inzwischen wieder frei. Es habe keine Anklagen gegen die 31 und 29 Jahre alten Frauen gegeben, teilte die Londoner Polizei Scotland Yard am Freitag mit.
Darüber hinaus wurden vier weitere Häuser in London und Lincolnshire, wo Angehörige von Adebolajo wohnen, durchsucht. Adebolajo und Adebowale, die von der Polizei angeschossen wurden, liegen in zwei verschiedenen Krankenhäusern und sind noch nicht vernehmungsfähig.
EDL liefert sich Scharmützel mit der Polizei
Der Geheimdienst befürchtet nun Trittbrettfahrer, die Beamten warnten Premierminister David Cameron während der Sitzung des Krisenstabs am Donnerstag vor möglichen Nachahmungstätern. Die Sicherheitsstufe wurde bisher zwar nicht erhöht, die Regierung überlegt aber, ob die Befugnisse der Behörden ausgeweitet werden sollen. So sind erneut Forderungen nach dem „Schnüffel-Gesetz" laut geworden.
Das „Gesetz über Kommunikationsdaten", das eigentlich ad acta gelegt worden war, sieht die Vorratsdatenspeicherung von E-mails, Textnachrichten und Handygesprächen vor. Kabinettsminister Eric Pickles sagte am Freitag jedoch, dieses Gesetz hätte den Mord nicht verhindern können.
Die Polizei hat 1.200 zusätzliche Beamte zur Sicherung islamischer Einrichtungen in London abgestellt. Nach dem Mord an Rigby kam es zu Dutzenden Übergriffen, vier Moscheen wurden angegriffen. Die rechtsextreme „English Defence League", die sich mit der Polizei in der Nacht zu Donnerstag Scharmützel in Woolwich lieferte, hat enormen Zulauf. 60.000 Menschen haben sich in den vergangenen zwei Tagen auf ihrer Webseite angemeldet.
Rigby hatte sechs Monate mit den Royal Fusiliers in der afghanischen Provinz Helmand verbracht. In einer Pressekonferenz seiner Familie sagte seine Frau Rebecca am Freitag: „So etwas erwartet man doch nicht in Großbritannien. Man glaubt, hier sind sie sicher." Sein Stiefvater Ian Rigby fügte hinzu: „Als er in Afghanistan war, wussten wir, dass es gefährlich war, aber vor der eigenen Haustür rechnet man nicht damit."
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