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■ Nach dem Klimagipfel sind die Einzelstaaten gefordertKohl beim Wort nehmen

Wenn es denn jemals die Absicht der Bundesregierung war, in Berlin tatsächlich einen Fortschritt der Klimapolitik zu erreichen, dann ist ihre Strategie nicht aufgegangen. Der ständige Hinweis auf die EU-Partner und schließlich auf den internationalen Prozeß, haben auf diplomatischer Ebene kein Stück vorwärts geführt. Ein Nullpapier ist das Ergebnis dreijähriger Arbeit und eines Gipfels. Das Warten auf die Langsamen führte zum Stillstand. Kanzler Helmut Kohl hat immerhin deutliche Worte gesprochen. Klipp und klar forderte er, daß die Industrieländer ihre Kohlendioxidemissionen weiter reduzieren müßten. Konkrete Zeitpunkte und Mengen müßten festgelegt werden. Er bestätigte noch einmal das in Rio formulierte Ziel einer Reduktion um 25 Prozent bis zum Jahr 2005 und setzte sogar mit einer Änderung des Bezugsjahres noch einen drauf.

Ist Kohl als Vorturner ernst zu nehmen? Hat der Mann tatsächlich kapiert, daß nur ein anderes Wirtschaften den Wohlstand auf Dauer sichert? Wohl kaum, wenn man die innenpolitischen Entscheidungen seiner Regierung in den letzten Wochen anschaut. Der Tausch einer Energiesteuer und der Wärmeschutzverordnung gegen die vage Selbstverpflichtung der Industrie, die sich ausschließlich auf Einsparungen bei einzelnen Produkten und nicht auf die Produktion insgesamt bezieht, spricht dagegen. So ist auch nicht auszuschließen, daß Kohl auf dem Klimagipfel darauf spekuliert hat, daß andere seine Vorschläge schon niederstimmen werden. Aber seine Ankündigung, hierzulande den CO2-Ausstoß um ein Viertel zu reduzieren, wird ihm in Zukunft immer wieder einholen. Schon in diesem Jahr werden die Emissionen aller Wahrscheinlichkeit nach wieder steigen, nachdem Deutschland in den letzten Jahren beim Rückgang des Kohlendioxidausstoßes vom Zusammenbruch der DDR-Industrie profitiert hat. Dann ist endlich Schluß mit der Augenwischerei, daß die Bundesregierung ein Musterschüler in punkto CO2-Politik ist. Es wird sich zeigen, daß sich mit einer autozentrierten Verkehrspolitik und dem Vertrauen auf den guten Willen der Industrie das ehrgeizige Ziel auf keinen Fall erreichen läßt. Die Umweltengagierten haben künftig nicht nur die eindeutigen Fakten als Argumente auf ihrer Seite, sondern auch die hehren Worte des Kanzlers. Kohl wird das nicht aussitzen können. In weiten Teilen der Bevölkerung ist längst angekommen, daß es mittelfristig so nicht weitergehen kann. Die Benutzung von Auto und Flugzeug ist für viele inzwischen mit einem schlechten Gewissen verbunden. Und auch bei der Industrie sind längst nicht alle Manager so konservativ wie ihre Standesvertretung im BDI. Zwangsmaßnahmen in Form von Steuern und Abgaben auf Energie sind unerläßlich. Mit Ökodiktatur hat das nichts zu tun. Nur mit realeren Preisen. Annette Jensen

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