piwik no script img

■ Nach dem Hamburger PolizeiskandalKameraderie auf allen Ebenen

In Hamburg beginnt gerade das zu erwartende Skandal-Nachspiel: Polizisten, die jahrelang zur Gewalt aus ihren Reihen geschwiegen haben, beklagen sich lauthals darüber, zu Unrecht in Sippenhaft genommen zu werden für Verfehlungen einzelner Kollegen. Eine Polizeiführung, die ihr Nichthandeln (vor dem Hackmann-Rücktritt) vehement verteidigt hat, zeigt sich nunmehr eifrig bemüht, ihre spektakuläre Suspendierungs-Kehrtwende zu rechtfertigen. Politiker, die Fremdenhaß, Rechtsextremismus und latente Gewaltbereitschaft innerhalb der Polizei bisher „verdrängt“ (Hackmann) haben, geloben, daß sie sich ab sofort und ganz bestimmt ..., aber so schlimm war es ja nun auch wieder nicht. Bloß keine Vorverurteilungen. Die wären auch gar nicht nötig. Wenn alle Beteiligten, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen, den Mut aufbrächten, sich an die eigene Nase zu fassen. Hackmann hat dies, zu spät, getan. Seinem Beispiel ist bisher niemand gefolgt. Kein Polizist, auch kein Polizeigewerkschafter. Kein Polizeichef, der eigenes Fehlverhalten eingeräumt hätte. Der eingestanden hätte, zu lange, zu oft die Augen zugedrückt zu haben. Gegenüber Übergriffen seiner Beamten ebenso wie gegenüber ungenügender Ausbildung und veraltetem Führungsstil innerhalb der Polizei. Kein Politiker, der zugäbe, daß er selbst seine parlamentarische Kontrollaufgabe gegenüber der Exekutive möglicherweise zu lax gehandhabt habe. Ihr vielleicht gar nicht gewachsen war, angesichts der spärlichen Informationen, die ihm von eben dieser Exekutive zuflossen. Den „unseligen Korpsgeist“, die „falsch verstandene Kameraderie“ hat Hackmann in seiner Rücktrittserklärung als das Strukturproblem der Polizei ausgemacht. Recht hat er – und zu kurz gegriffen. Korpsgeist und Kameraderie beschränken sich keineswegs auf uniformierte Einsatzzüge. Auch nicht auf den Polizeiapparat. Sie finden sich – hier besser bekannt unter den Stichworten Parteibuch-Wirtschaft und falsch verstandene Loyalität – in den Behördenspitzen, in den Regierungszentralen und Parlamenten. Sich daran zu versuchen, das wäre ein Nachspiel! Uli Exner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen