Nach dem Flugrouten-Kompromiss: Bewährungsprobe in der Praxis
Bundesverkehrsminister Ramsauer ist zufrieden mit dem Kompromiss - und würde heute dennoch anders planen. Die Tauglichkeit der Routen soll ein halbes Jahr nach BER-Eröffnung überprüft werden.
Die Flugrouten des neuen Großflughafens BER in Schönefeld werden wohl so genehmigt, wie von der Flugsicherung vorgeschlagen - in Stein gemeißelt sind sie jedoch nicht: Ein halbes Jahr nach der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens würden die Routen überprüft, kündigte das Bundesverkehrsministerium am Dienstag an. "Wir werden uns anhand der Flugbilder anschauen, wie sich die Routen in der Praxis bewähren", sagte Staatssekretär Klaus-Dieter Scheurle (CDU). So solle etwa darauf geachtet werden, ob es über Teltow tatsächlich ruhig bleibt und wie das engkurvige Umfliegen Zeuthens klappt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zeigte sich zufrieden mit dem Entwurf, den die Deutsche Flugsicherung (DFS) am Montag vorgestellt hatte. "Die Routen vom 6. September sind definitiv vom Tisch, weil die vorhandenen Spielräume genutzt worden sind", sagte der Minister.
Die DFS war nach ihrem ersten Flugrouten-Entwurf im September von einem Proteststurm der Bürger überrascht worden. Tausende Menschen sahen sich getäuscht, weil sie nun entgegen früherer Annahmen Fluglärm abbekommen sollten. Monatelang beriet sich die DFS mit der Fluglärmkommission, was den nun vorgelegten Kompromiss zur Folge hatte. Demnach wird Potsdam von Lärm verschont, Berlin wird verstreut und in größerer Höhe überflogen, Zeuthen weitgehend umflogen. Schlimmer als noch im September geplant wird es hingegen für Blankenfelde und Mahlow.
Die Diskussion zähle sicherlich zu den drei größten Projekten, die seine bisherige Amtszeit von einem Jahr und acht Monaten geprägt hatten, sagte Ramsauer. Letztlich sei es um eine "Reparaturmaßnahme" gegangen. Man habe damals ein Verfahren begonnen, ohne es durchzudeklinieren. "Wenn man das Ende nicht bedenkt, rächt es sich manchmal." Ramsauer bezeichnete es auch als Fehler, dass die Planer lange Zeit nicht in Dialog mit der Bevölkerung getreten seien und darüber hinaus andere Routen suggeriert hatten als später veröffentlicht. Der Minister sagte zwar, er lehne Schuldzuweisungen an Politiker ab. Seine Ausführungen gingen jedoch klar in Richtung der damals politisch Verantwortlichen, allen voran des einstigen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU). Auch das Brandenburger Infrastrukturministerium hätte frühzeitig nachhaken müssen beim Thema Flugrouten, anstatt sich wegzuducken. "Die Wurst hat von beiden Seiten her etwas gerochen."
Zugleich stellten Ramsauer und sein Staatssekretär klar, dass aufgrund der Standortwahl nicht alle Betroffenen zufrieden gestellt werden könnten. Eine Route etwa führe über den Müggelsee, damit Erkner nicht An- und Abfluglärm zu hören bekäme. "Manche Probleme erscheinen schwer lösbar", sagte Scheurle. Zum Streit um die Nachtflugregelungen verwies das Ministerium auf die Zuständigkeit der Länder. Diese seien für die Betriebsgenehmigung des Flughafens verantwortlich. Ramsauer bekräftigte jedoch, dass BER als Drehkreuz geplant sei. "In den nächsten fünf Jahren wird BER kein großes internationales Drehkreuz, aber was ist in 15 Jahren?" BER ist das neue Kürzel für den Flughafen, der am 3. Juni 2012 in Betrieb gehen soll. Der Minister gab zu bedenken, dass Bestimmungen zu den Nachtflügen wieder geändert werden könnten, je nach politischer und wirtschaftlicher Lage. Derzeit ist geplant, von 0 bis 5 Uhr keine Flüge ab und an BER zuzulassen sowie eine begrenzte Anzahl zwischen 22 und 0 Uhr und 5 bis 6 Uhr. Dagegen klagen sowohl Anwohner als auch die Fluggesellschaft Air Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht will seine Entscheidung im September verkünden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass