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Nach dem Erfolg in Auflösung

■ Die Mannheimer Bürgerinitiative BIGUZ kämpfte 22 Jahre lang gegen die größte Giftmülldeponie Europas

Berlin (taz) – Wer wird denn weinen, wenn man auseinander geht? Die Bürgerinitiative gegen Umweltzerstörung (BIGUZ), die sich 22 Jahre lang gegen den Bau der Giftmülldeponie Mainhausen wehrte, hat sich aufgelöst – erfolgsbedingt. Derweil füllt sich die heiß umkämpfte Tongrube wieder mit Grundwasser, Grün bricht durch den Beton und verwandelt die Bauruine der Hessischen Industriemüll GmbH (HIM) in ein Biotop. Hätte die BIGUZ der HIM nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht, stünde hier die mit drei Millionen Kubikmeter Volumen größte Giftmülldeponie Europas.

Die Pläne über den Standort Mainhausen wurden 1972 bekannt. Einträchtig schlossen sich damals hessische und bayerische BürgerInnen in dem BIGUZ-Vorläufer BÖU (Bürgerinitiative Östlicher Untermain) zusammen und gingen den Weg des juristischen und bürokratischen Widerstands. 25.000 schriftliche Ablehnungen trafen bei den Behörden ein. Zwar wurden alle Klagen gegen den „Schwarzbau“ der HIM abgewiesen, doch 1977 konnte die BÖU ihren ersten Etappensieg vermelden. Von dem geplanten HIM-Dreiteiler – Verbrennungsanlage, Bearbeitungsanlage und Giftmülldeponie — blieben nur noch die Deponiepläne übrig.

Als 1981 die Waldrodungen beginnen sollten, verließen die BÖU- AktivistInnen die Ebene der Verwaltungsstreitigkeiten und errichteten ein Hüttendorf im Mainflinger Wald. Nach drei Monaten beendete die Polizei mit Hunden, Knüppeln und Tränengas den gewaltlosen Mainhausener Hüttenzauber. Zu einer Protestdemonstration im Wald fanden sich 8.000 Deponie-GegnerInnen zusammen. Noch im selben Jahr wurde die BIGUZ ins Leben gerufen, die im Dezember 1986 entscheidende Erfolge verbuchen konnte: das Verwaltungsgericht Darmstadt hob den Planfeststellungsbeschluß auf, eine ExpertInnenkommission sagte einstimmig nein zur Giftmülldeponie Mainhausen.

Doch die HIM gab sich noch nicht geschlagen und stellte 1987 einen neuen Antrag auf Planfeststellung. Der Kampf wurde wieder aufgenommen. Neben einem Giftmüllsymposium und der Verhinderung der Planauslegung im Mainhausener Rathaus machte die BIGUZ den Erörterungstermin 1990 zu einem denkwürdigen Ereignis. Sie mobilisierte täglich 700 Menschen, die den Untergang der HIM im Festzelt auf der „Speckwiese“ miterlebten. ExpertInnen deckten zahlreiche Schwachpunkte der bisher 65 Millionen Mark teuren Anlage auf, doch erst 1993 stieg die HIM endgültig aus den Mainhausener Deponieplänen aus. Im August 1994 folgte der Ausstieg der BIGUZ aus dem Kampfesleben. Gegen die vom Bürgermeister anvisierte Bodenwaschanlage will sich die Bürgerinitiative nicht mehr neu formieren. Die HeldInnen sind müde. Jessika Tomberger

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