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Nach dem Deutschen FernsehpreisQuote statt Qualität

Die Privatsender haben die Fernsehlandschaft verpestet, und die Öffentlich-Rechtlichen fallen drauf rein: Nicht die Qualität steht mehr im Mittelpunkt, sondern die Quote.

Marcel Reich-Ranicki und Thomas Gottschalk: Zwei Supernasen talken Fernsehen. Bild: zdf/carmen sauerbrei

Ich bin ein Nobody. Ab und zu darf ich in den Irak oder nach Afghanistan reisen und für die Öffentlich-Rechtlichen ein Filmchen drehen. Was Marcel Reich-Ranicki neulich sagte, versuche ich seit Jahren zu vermitteln. Aber wer hört schon auf einen Nobody? Dass ich keine Sondersendung für meine Meinung bekomme, ist klar. Aber das ist okay. Denn obwohl ich inzwischen genug Rückhalt bei den Öffentlich-Rechtlichen habe, könnte ich nicht sichergehen, nicht wieder Drohungen wie "Sie werden nie wieder für uns arbeiten" oder Anmerkungen wie "da hat sich aber einer zu weit aus dem Fenster gelehnt" bis hin zum auch sehr beliebten "Nestbeschmutzer" zu bekommen.

Die Öffentlich-Rechtlichen haben den Auftrag, zu bilden, zu unterhalten und zu informieren. Oft bleibt dieser Auftrag auf der Strecke, weil man sich in einen Quotenkampf mit den Privaten begibt. Zum Teil wird sogar versucht, es ihnen nachzumachen. Und am Montag zeigt die ARD zur Primetime mit "Die Anwälte" eine Serie, die für RTL produziert wurde - aber dort gefloppt ist.

Vor ein paar Tagen telefonierte ich mit einem Kollegen über seinen neuen Film, der in einem ARD-Dritten laufen sollte. Zwanzig Minuten unterhielten wir uns darüber, ob parallel zu seiner Sendezeit etwas wie "DSDS" oder Ähnliches gezeigt würde. Irgendwann wurde uns bewusst, auf welcher Ebene wir da diskutierten: Nicht die Qualität seines Films stand im Mittelpunkt, sondern die Quote.

In der Nacht nach meinen Filmen schlafe ich grundsätzlich schlecht. Als Freiberufler ist man besonders abhängig von Einschaltquoten. In den Sendern wird zwar so getan, als wäre das nicht von Bedeutung. Doch die Realität ist eine andere: Stimmen die Quoten, ist man König für einen Tag und hat gewisse Vorteile, wenn man demnächst wieder mit einem Exposé in der Schlange steht.

Dieser sinnlose Quotenkampf mit den Privaten führt dazu, dass zunehmend reißerische Themen gefragt sind: Ins außenpolitische Magazin gehört längst mindestens ein "leichter" Beitrag wie "Kamelrennen in Qatar" (oder war es in der Türkei?).

Dabei muss man nur über den Ärmelkanal schauen: Die BBC, als öffentlich-rechtliche Institution, steht klar zu ihrer Aufgabe, Qualität anzubieten, ohne sich an Quotenkämpfen zu beteiligen. Die Tatsache, dass sie sich trotzdem auf dem Quotenmarkt und auch international behaupten kann, ist das Verdienst ihrer Journalisten.

Dass wir in Deutschland auch gute Journalisten haben, steht außer Frage. Aber auch sie können die Zahl der Unqualifizierten nicht verschleiern. Ein Beispiel: Vor ein paar Jahren habe ich einen Film über die Lage im Irak gemacht. Eine Sequenz zeigte, wie die Aufständischen einen US-Panzer in die Luft sprengten. Trotz der Exklusivität des Materials wollte der abnehmende Redakteur diese Szene aber entfernt haben. Begründung: "So etwas können wir nicht zeigen. Das könnte sich ja auch im Iran abgespielt haben!" - amerikanische Panzer und Soldaten im Iran? Ein anderes Mal sollte ich den Begriff "Aufständische" durch den Begriff "Terroristen" ersetzen, die USA jedoch nicht Besatzungsmacht nennen, sondern Befreier.

Diese ganze Misere wird dann in diversen Jahresrückblicken und Veranstaltungen wie dem Deutschen Fernsehpreis, Grimme-Preis, Bambi und dergleichen nochmals aufgetischt. Welches Politikum hinter den diversen Preisverleihungen steckt, wäre allemal ein Beitrag wert. Dass sich bei den meisten Preisen die Auszeichnungen dann untereinander zugeschoben werden, ist die logische Folge. Und um das Ganze etwas anspruchsvoller aussehen zu lassen, holt man einen Marcel Reich-Ranicki. Dass der sich dann unanständig benimmt, konnte man ja nicht ahnen …

Doch das Ärgerlichste an der Debatte ist, dass die Privaten, die die ganze Fernsehlandschaft verpestet haben, davongekommen sind. Für sie kommt keine kritische Auseinandersetzung in Frage - sie betrachten den MRR-Eklat eher als eine komödiantische Einlage. Alle reden über ARD und ZDF. Dass sie Rede und Antwort stehen, ist ihr großes Verdienst. Im Gegensatz zu vielen anderen Kritikern bin ich auch überzeugt, dass sich die progressiven Kräfte im Öffentlich-Rechtlichen durchsetzen werden, doch die Mühlen der Anstalten mahlen eben recht langsam.

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8 Kommentare

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  • JO
    Jan Oliver Mampel

    Früher war man prominent, weil man etwas Besonderes konnte (wie z.B. singen, komponieren, schnell laufen oder Witze erzählen). Heute ist man prominent, wenn man halbwegs gut aussieht und es geschafft hat sein Gesicht öfter mal in eine Fernsehkamera gehalten zu haben. So erreicht man den neuen Status Prominentenprominenter, der das Prominent-Sein an sich zum Inhalt hat. Beispiele dafür wären z.B. Barbarbara Schöneberger, die sich mit einem Wonnebusen und frechem Schnoddergequatsche in einer Nischensendung nach oben gequatscht hat und sich wie viele Neuprominente dann berufen fühlte, die achso umfangreiche Bandbreite der in ihr schlummernden Talente auszubreiten und an die Öffentlichkeit bringen zu müssen, die sich bekanntermassen ja erst einmal nicht dagegen wehren kann. Es wird dann „gesungen“ oder“geschauspielert“, je nach Ausgangslage der vorherigen im Mittelpunkt gestandenen Begabung. Allen Prominentenprominenten ist aber allen anderen Eigenschaften voran die Gier nach Aufmerksamkeit (im psychologischen Fachterminus als Narzissmus bezeichnet) zu eigen, die sie zu den Anstrengungen aufpeitscht, die nötig sind, um in eine prominente Position zu gelangen. Dabei wird oft die Würde der eigenen Persönlichkeit ohne Rücksicht auf Verluste links liegen gelassen, nur um noch mehr Aufmerksamkeit oder Beachtung im öffentlichen Leben zu erlangen. Diese Sucht nach Geltung ist inzwischen ja sehr weit verbreitet, da das Volk mitbekommen hat, wie einfach es inzwischen geworden ist, ins Fernsehen zu kommen. Auch wenn man als dumm oder verschuldet vorgeführt wird. Hauptsache man ist im Fernsehen. Um allerdings einen Prominentenprominentenstatus erlangen zu können, bedarf es doch eines etwas längerem Atem. Wie schon erwähnt, muss man dafür mehr als einmal seine Gesicht in die Kamera gehalten haben und muss durch eine besonders renitente Sucht nach Aufmerksamkeit aufgefallen sein. Ein weiteres Beispiel wäre die unsägliche Kim Fischer, die sich irgendwann und irgendwie durch eindringliches Gebrabbel aus dem Morast der Unbekanntheit nach oben schaufeln konnte. Obwohl sie im Grunde nichts richtig beherrscht, tut das ihrem Drang dazu ihre angeblichen Talente wie „Singen“, „Tanzen“ oder „Schreiben“ im öffentlichen Raum zu verbreiten keinen Abbruch. Merkwürdigerweise taucht sie immer wieder und ständig entweder als Moderatorin oder Quizshowkanidatin in irgendwelchen Shows auf, ohne dass man jemals richtig erfahren hätte, warum man diese Dame vor der Kamera ständig herumhampeln sehen muss. Weiter geht es mit Ina Müller, einer schockergrauten grossmäuligen Selbstinszenierungsweltmeisterin aus dem deutschen Norden. Ihr zu eigen ist mehr als offensichtlich erst einmal eine unbeirrbare Sucht zur Selbstdarstellung, bei der sie oft in wirklich unangenehm berührender Art sich ständig und überall in den Mittelpunkt drängt und dabei sogar ihre Gäste ins Abseits schiebt. Interviewfragen werden lustlos abgehakt , nur um für lovely Ina, die sich wohl in aller erster Linie nur selbst wirklich liebt, die nächste Gelegenheit zu bieten, ihre so unglaublich „lockere“ und „schnodderige“ Schnauze aufmachen zu können und einen ungefragten Kommentar oder ihr wirklich absolut eingübtes spontanes Lachen zum Einsatz bringen zu können. Dann muss ja doch auch immer wieder aufs Neue bewiesen werden, wie unglaublich vielfältig begabt die Schnatterkröte doch ist und sie singt ungefragt bei jeder Gelegenheit herum. Man möchte vermuten, dass ein NDR-Chef auf diese Masche absolut hereingefallen ist, denn so lange und intensiv musste Ich mich bei keiner anderen Fernsehsendung fremdschämen. Und als ob das alles noch nicht peinlich genug wäre, wird diese dauerschnatternde mediale Teenagegreisin auch noch als NDR-Allzweckwaffe eingesetzt und auf Heiratswillige Bauern oder sonstige Bürger losgelassen. Bei gleich welcher Sendung aber wird man unsanft darauf gestossen, wie unsäglich aufgesetzt diese ganze Pseudolockerheit und Spontanität doch bei Frau Müller ist und dass sie bei jedem Gespräch nur lauernd darauf wartet, ihren achso spröden Charme wieder aufflackern lassen zu können. Zum Glück ist sie aber meistens aufs Dritte verbannt. Desweiteren wären in diesem Zusammenhang Jörg Pilawa (der mit seinen biederen Wissensshows von der ARD als Unterhaltungstötende Allzweckwaffe verwendet wird), Frauke Ludowig (Das GesichtsOPmodell aus dem Proletenfernsehen), Olli Geissen (der auch absolut nichts kann ausser seinen Wuschelkopfcharme mit Knuddelfresse in die Kamera zu halten) oder Aiman Abdallah, der auf PRO 7 als Proleten-George-Clooney mit grauen Schläfen mühsam versucht ein Pfund Seriösität über die peinlich vergeheimnisten pseudowissenschaftlichen Enträtselungsversuche zu versprühen, was ihm in Münchner Schicki-Discos vielleicht ein paar Onenightstands verschaffen wird, aber im Fernsehen nur wohl ein unteres Drittel der Bevölkerung beeindrucken kann. Oli P. und Selma liegen da noch eine Kategorie tiefer.

    Sind echte Promis so selten geworden oder wurden sie gar von diesen Prominentenprominenten verdrängt? Man schicke uns doch mal Menschen mit Charakter und Leben, zu denen man wirklich noch aufblicken kann. Alles in allem wäre das ja noch kein so übler Zustand, wenn diese Prominentenpromineten nicht mit ihrem breiten Gesäss sämtliche Sendeplätze besetzen und den Platz dür neue junge Talente verbauen würden. Dieser Zustand ist ja wiederum ein Abbild der Momentanen Gesellschaft, wo sich eine gewisse Elite gemütlich oben eingerichtet hat und niemand mehr wirklich nach oben durchdringen kann. Dies gilt für die Eliten auch im Bereich der Kunst, des Films oder der Politik. Es wird Zeit, dass Qualität an die erste Stelle gesetzt wird und sämtliche Seilschaften und Geheimnbünde ausser Kraft gesetzt werden, denn nur durch echten Wettbewerb können auch echt Eliten entstehen. Was sich heute da so in den oberen Etagen herumtreibt ist eher der Triumph des Mittelmass. Und ohne echte Elite macht Kultur keinen Spass mehr.

  • GE
    g. emiks

    möchte ihre leserInnen nicht in

    dir irre führen. bei meinem ist

    mir ein "klassischer" formatfehler

    unterlaufen. die richigen links:

     

    http://gemiks.twoday.net/20081019

    http://gemiks.twoday.net/20081020

     

    sorry und mit (inter)nettem gruß: g. emiks

  • G
    g.emiks

    up: marcel r.r. legt einen kometenhaften aufstieg hin,

    down: elke h. fällt zurück vor ihre wursttheke!

     

    >>> http://gemiks.twoday.net/20081910

    >>> http://gemiks.twoday.net/20082010

  • KB
    Kai B.

    Sehr geehrter Herr Raman,

    ich möchte Ihnen herzlich für diesen Artikel danken. Sie haben mir (und offenbar anderen Lesern ebenso) einen guten Einblick in die Verhältnisse bei den Öffentlich-Rechtlichen gegeben. Auch ich wünschte mir eine Orientierung der Deutschen ÖR an der BBC, welche mit geringerem Budget als es unsere Fernsehanstalten haben ein weit ausgewogeneres Programm liefern, welches sowohl kritischen Reportagen, wichtigen Nachrichten und anspruchsvoller Unterhaltung von Jane Austen-Verfilmungen bis DOCTOR WHO alles bietet, was öffentlich-rechtliches Fernsehen bieten sollte. Ironischerweise schoben die Chefs der hiesigen ÖRs BBC-Chef Mark Thompson bei der letzten Funkausstellung als großes Vorbild vor (siehe: www.zdf.de/ZDFmediathek/content/BBC-Chef_fuer_mehr_Internet-Angebote/576022). Ging ja auch nur um Internetpräsenz.

    Nochmals vielen Dank für Ihren aufschlussreichen Artikel, Herr Raman. Ich hoffe und wünsche, dass Sie Ihre Filmbeiträge in Zukunft nicht mehr politisch "korrigieren" müssen.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Kai B.

  • VM
    V. Matti

    Danke, Herr Raman, für den Einblick. Hoffentlich haben Sie sich damit weit genug aus dem Fenster gelehnt, um all den Eingeschüchterten zu demonstrieren, dass Rückgrat sich auf Dauer lohnt. Meine Güte, wenn schon das Rückgrat fehlt, für die eigene Sendung oder den eigenen Beitrag einzustehen, dann möchte ich nicht wissen, wie es in anderen Bereichen aussieht.

  • RR
    R. Rabe

    Ist Fernsehen nur noch die moderne "Brot und Spiele"-Variante?

    Wird dieses Opium des Volkes zum Opium für das Volk?

     

    Wer braucht denn noch Nachrichten, Reportagen und politische Hintergründe, wenn man "Ab durch die Wand", "Deutschland (!) sucht den Superstar" und Barbara Salesch haben kann ?

     

    Berlusconi & Co weisen der Mediengesellschaft den Weg ... Nein, danke !

  • SD
    Stefan Dernbach

    Die Diktatur der Einschaltquote

     

    Dem Wesen nach ist eine Diktatur schwer zu ändern.

    Sie erscheint sozusagen, wie vom Himmel gefallen, sprich gottgegeben.

    Vor dem Diktator Quote, fallen die Fernsehmacher auf die Knie, weil die Kasse klingeln muss. Nun, irgendwie müssen die Stars und Sternchen ja bezahlt werden. Dass man dabei aber mit schwachsinnigen Sendeformaten, mental minderbemittelte Menschen für alle Zeiten PISA-untauglich macht, ist zugleich ein Vergehen am Gemeinwesen.

    Alle Klofrauen, so Thomas Gottschalk, jubeln. Aber wir brauchen nicht Millionen von Klofrauen. Es sei denn, wir eröffnen einen neuen Typus Dritte Welt Land.

     

    Stefan Dernbach, Siegen (Flimmerwelt)

  • HK
    H. Klöcker

    Das sehe ich auch wie Reich-Ranicki und der Journalist der den Artikel hier geschrieben hat.

     

    Die Qualität bei den Öffentlich Rechtlichen nimmt rapide ab, von den Privaten rede ich im Zusammenhang mit dem Wort Qualität natürlich erst gar nicht.

     

    Gottschalk ist ja bereits als Quotenopfer zum Fernsehen gekommen und kann die Kritik von Reich Ranicki schon deshalb nicht nachvollziehen und verstehen. er arbeitet eben für viel Geld als Lohnsklave. Qualität ist ihm dabei egal.

     

    Auch die Meldungen der Tagesschau werden zunehmend unkritischer, deutlich währen der Bankenkrise zu sehen. Kaum Kritik an den Verantwortlichen wie Ackermann. Stattdessen lässt man sie zu Wort kommen bei Tagesschau.de mit Artikeln wie "Die Banken haben uns alle reich gemach". Das ist für die ARD einfach unglaublich.

     

    Ich zahle nun auch keine GEZ mehr, denn da kann ich ja gleich RTL schauen ;0)

     

    Mein Nachrichtensender bleibt klar die BBC. N24 oder CNN sind ein Witz, total gekaufte News ;0)