Nach dem 1. Mai in Berlin: Haftbefehl wegen Mordversuchs
Staatsanwaltschaft wirft vier Männern Mordversuch an Polizisten vor. Sie sollen Brandsätze geworfen haben. Die Übergriffe überschatten den Gesamteindruck des Abends.
Die Statistik des diesjährigen 1. Mai (Vorjahr soweit bekannt in Klammern):
DGB-Demonstranten: 20.000 (10.000) laut Veranstalter
Mayday-Parade: 4.000 (7.000) laut Veranstalter; mehr als 2.000 laut Polizei
NPD-Maifest-Besucher: 280 laut Polizei
Demo gegen NPD: 3.000 laut Veranstalter; 1.500 laut Polizei
Revolutionäre 18-Uhr-Demo: 12.000 bis 15.000 (bis 12.000) laut Veranstalter; anfangs 5.000, später 7.000 (mehrere tausend) laut Polizei
MyFest-Besucher: 35.000 (20.000 bis zum Abend)
Polizisten: 5.800 (4.700)
Verletzte Polizisten: 273 (112) laut Polizei, vom Dienst abtreten mussten 14
Festnahmen: 289 (139) laut Polizei
Schwere Vorwürfe erhebt die Staatsanwaltschaft gegen einzelne Teilnehmer der Mai-Randale. Vier Personen wurden wegen versuchten Mords an Polizisten festgenommen. Insgesamt 59 Haftbefehle sind laut Staatsanwaltschaft bis Sonntag nachmittag erlassen worden. 23 Beschuldigte saßen in Untersuchungshaft.
Am Abend des 1. Mai gegen 21.45 Uhr war am Kottbusser Tor eine Frau von einem Molotow-Cocktail getroffen worden. Sie musste laut im Internet verbreiteten Augenzeugenberichten von Umstehenden gelöscht werden. Über den Gesundheitszustand der Frau konnte die Polizei am Sonntag keine Angaben machen. Der Brandsatz hatte offenbar zwei Polizisten zum Ziel gehabt, diese aber verfehlt. Ein Jugendlicher und ein Heranwachsender seien als Täter zeitnah vor Ort festgenommen worden, berichtete am Sonntag der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald. Den gezielten Wurf auf die Beamten werten die Juristen als Mordversuch. Da die beiden stattdessen die Passantin getroffen haben, müssen sie sich auch wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten.
Wegen Mordversuch wurden nach einer ähnlichen Tat auch zwei weitere Männer inhaftiert. Sie sollen gegen 0.35 Uhr in der Adalbertstraße einen Brandsatz auf Polizisten geworfen haben. Das Benzin sei jedoch vor den Beamten zu Boden gefallen, so Grunwald. Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte berichtet, dass gegen 1.35 Uhr vom Balkon des Hauses über der Adalbertstraße eine brennbare Flüssigkeit auf drei Beamte geschüttet worden sei. Diese hätten kurzzeitig Feuer gefangen, seien aber unverletzt geblieben. Unklar war am Sonntag, ob es sich dabei um verschiedene Taten handelt.
Bereits im Verlauf der um 18 Uhr gestarteten "revolutionären Mai-Demonstration" waren zwei Autos der Verkehrspolizei attackiert worden. Vermutlich weil die Route kurzfristig geändert wurde, war ein Polizei-Pkw auf der Wiener Straße zwischen die Demonstranten geraten. Laut Augenzeugen wurde er von einem Mann mit einem Baseballschläger angegriffen. Der Beamte darin erlitt einen Schock.
Die Heftigkeit dieser Übergriffe verzerrt den Gesamteindruck des Abends. Die rund 35.000 Besucher des MyFestes in Kreuzberg hatten bis Mitternacht friedlich gefeiert. Selbst kleinere Feuer auf der Adalbertstraße führten zunächst nicht zu einer Eskalation. Erst gegen Mitternacht war die Polizei unter Einsatz von Tränengas tiefer auf das Festareal vorgedrungen. Es folgten die üblichen Volksfestscharmützel.
Von den Teilnehmern der revolutionären Mai-Demonstration war da schon lange nichts mehr zu sehen gewesen. Anders als in den Vorjahren waren aus dem um 18 Uhr gestarteten Protestzug bereits nach wenigen Metern Polizisten mit Steinen attackiert worden. Nach mehreren Eskalationsversuchen war die Demo gegen 21 Uhr vorzeitig am Kottbusser Tor beendet worden. Auch hier kam es zu Auseinandersetzungen. Die Heftigkeit stundenlanger Straßenschlachten, die einst am 1. Mai üblich waren, hatten sie jedoch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml