Nach Volksentscheid in Hamburg: Schwarz-Grün hat Knacks bekommen
Von Beust weg, die Schulreform gescheitert: Jetzt macht sich auch in der CDU Skepsis gegenüber Schwarz-Grün breit.
BERLIN taz | Angela Merkel bemühte sich erst einmal zu beschwichtigen. Die Kanzlerin sehe "gute Chancen" für eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition in Hamburg, sagte sie am Tag nach der doppelten Pleite von Hamburg, bei der ihr der sechste Ministerpräsident in noch nicht einmal einem Jahr verloren gegangen ist. Zudem ist mit der gescheiterten Schulreform auch noch die inhaltliche Grundlage für die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene abhanden gekommen.
Doch für Merkel geht es mittlerweile um noch mehr als nur um die Zusammenarbeit im Hamburger Senat. Für sie ist zugleich die Option Schwarz-Grün allgemein in Gefahr, von der viele glauben, dass es Merkels eigentliche Wunschoption auch im Bund ist. Denn nicht zuletzt durch die Stärke der Grünen geht bei der Bundestagswahl 2013 und schon bei den kommenden Landtagswahlen im nächsten Jahr wohl kaum eine Regierungsbildung völlig an der Ökopartei vorbei. In aktuellen Umfragen werden die Grünen auf Bundesebene bis zu 18 Prozent der Wählerstimmen vorhergesagt.
CDU zunehmend skeptisch
Gerade in Merkels CDU sehen Spitzenpolitiker des Bundesvorstands nun eine Krise für die schwarz-grünen Bemühungen der Kanzlerin. "Das Ergebnis des Volksentscheides ist nicht das Ende für Schwarz-Grün – aber ein Rückschlag", sagte Friedbert Pflüger der taz. "Schwarz-Grün ist für viele keine Herzenssache", so Pflüger weiter, "es bleibt den eigenen Leuten fremd."
Dennoch ist der Berliner CDU-Politiker der Ansicht, die CDU solle sich weiter um Koalitionen mit den Grünen bemühen. "Wir sollten uns die Option personell und inhaltlich unbedingt offenhalten – leider ist Rot-Grün seit NRW wieder stärker in die strategischen Überlegungen der Grünen geraten als eine Koalition mit der CDU", sagte Pflüger.
Auch sein Kollege aus dem Bundesvorstand Axel E. Fischer sieht zunehmend Schwierigkeiten für eine schwarz-grüne Zusammenarbeit. Er sagte der taz, "Hamburg hat zwar gezeigt, dass Schwarz-Grün durchaus möglich ist", so Fischer "aber es ist nicht erstrebenswert". In seiner Heimat Baden-Württemberg sieht er die Situation im Jahr vor den Landtagswahlen noch eindeutiger: "Ich halte Schwarz-Grün in Baden-Württemberg derzeit für undenkbar." Fischer würde sogar lieber einen Partner mehr mit ins Boot nehmen, um nicht allein auf die Grünen angewiesen zu sein: "Eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen ist mindestens genauso attraktiv wie schwarz-grün."
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte dagegen vor Panikmache wegen des Rückzugs von Bürgermeister Ole von Beust. "Ich würde das nicht so dramatisch sehen", sagte er am Montag im "ARD-Morgenmagazin". In Parteien gebe es immer wieder personelle Veränderungen und Erneuerungen. Die jüngsten Rücktritte hätten nichts mit dem Führungsstil von Kanzlerin Angela Merkel zu tun. Sie führe Partei und Regierung "außerordentlich erfolgreich", betonte Kauder.
Doch auch auf der anderen Seite, bei den Grünen, sieht man einen Knacks in der Zusammenarbeit mit der CDU. Zwar bemühte sich Parteichef Cem Özdemir am Montag in Berlin darum, kritische Koalitionsfragen für seine Partei unter dem Tisch zu halten, und sagte eine Neuausrichtung des Kurses der Offenheit gegenüber möglichen Bündnispartnern ab: "Der Kurs der Eigenständigkeit hat sich bewährt", so Cem Özdemir.
Hamburg macht's schwerer
Sein Parteikollege Hans-Christian Ströbele sieht dies indes anders. "Die Ereignisse von Hamburg machen schwarz-grüne Koalitionsbestrebungen in anderen Bundesländern sicher nicht einfacher", sagte der Kreuzberger Bundestagsabgeordnete der taz. "Aber für mich", so Ströbele weiter "war Schwarz-Grün nie eine Wunschoption".
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