Nach United-Aus in der Königsklasse: Loser und Lückenfüller

Nach dem Aus in der Champions League steht Manchester United heuer wieder ohne Titel da. Für Trainer Ralf Rangnick wird es allmählich eng.

Der beargwöhnte Deutsche: Ralf Rangnick hat es als Trainer von Manchester United nicht leicht.

Der beargwöhnte Deutsche: Ralf Rangnick hat es als Trainer von Manchester United nicht leicht Foto: dpa/Martin Rickett

MANCHESTER taz | In der fünften Minute der Nachspielzeit schöpfte Manchester United ein letztes Mal Hoffnung. Es gab Ecke für Ralf Rangnicks Mannschaft im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League. Die roten Trikots der Gastgeber fluteten den Strafraum von Atlético Madrid, sogar Torwart David De Gea rannte mit nach vorne. „United, United!“, brüllte das Old Trafford, doch es brüllte vergebens. Die Ecke von Außenverteidiger Alex Telles landete in den Händen von Atlético-Torwart Jan Oblak, und die Reaktion der beiden Trainer zeigte, was das bedeutete: Gästecoach Diego Simeone ballte in bester Diego-Simeone-Manier die Fäuste und schrie seine Freude heraus, Rangnick senkte den Kopf. Beide wussten: Atlético stand im Viertelfinale, Manchester United war ausgeschieden.

1:0 gewannen die Besucher aus Spanien durch den Treffer von Renan Lodi kurz vor der Pause, das reichte zum Weiterkommen nach dem 1:1 im Hinspiel. Beide Mannschaften zeigten im Old Trafford eine für sie typische Vorstellung: Atlético verbarrikadierte sich die meiste Zeit in der eigenen Hälfte und verteidigte die Führung ebenso diszipliniert wie trickreich. Rangnick monierte hinterher das Zeitspiel der Gäste und die vielen von ihnen provozierten Unterbrechungen, wusste aber auch: „Sie spielen seit zehn Jahren so.“ Sein Gegenüber Simeone dürfte es als Kompliment für seinen Spaßverderber-Fußball werten, dass ihn die Heimfans nach Abpfiff mit Bechern und anderen Objekten bewarfen.

Manchester Uniteds Auftritt war ebenfalls symptomatisch. Die Mannschaft kam über gute Ansätze nicht hinaus und operierte nach dem Gegentor planlos und verzweifelt. Wieder einmal lieferte Englands Rekordmeister den Beweis, dass eine Ansammlung großer Namen keinen Erfolg garantiert. Cristiano Ronaldo gab zum ersten Mal seit 2011 in einem Champions-League-Spiel keinen einzigen Torschuss ab. Regisseur Bruno Fernandes und der unter Rangnick erstarkte Jadon Sancho waren nur Mitläufer. Kapitän Harry Maguire, teuerster Verteidiger der Welt, wurde bei seiner Auswechslung in der Schlussphase ausgebuht. Paul Pogba, Marcus Rashford und Edinson Cavani kamen von der Bank und bewirkten wenig.

Zuschlag war „ein Witz“

Rangnick beklagte sich hinterher über Schiedsrichter Slavko Vinčić. Dieser habe Atléticos Zeitschinderei mit „kuriosen Entscheidungen“ begünstigt, vor dem Treffer der Gäste ein Foul an United-Profi Anthony Elanga übersehen und die Nachspielzeit zu niedrig bemessen. Der Zuschlag von vier Minuten sei „ein Witz“ gewesen, urteilte Rangnick. Damit konnte er nicht von der Erkenntnis ablenken, dass United vor den Trümmern einer Saison steht. Das Warten auf die erste Trophäe seit 2017 geht weiter. Damals hatte der Verein unter José Mourinho die Europa League gewonnen. Ronaldos Rückkehr im Sommer hatte einen Hype im Old Trafford ausgelöst, sogar von der ersten Meisterschaft seit dem Abschied von Sir Alex Ferguson vor neun Jahren war die Rede gewesen.

Doch solche Fantasien haben sich als haltlose Übertreibung erwiesen. In der Premier League droht United als Tabellenfünfter sogar das Minimalziel zu verpassen – die Qualifikation zur Champions League, im Pokal blamierte sich das Team kürzlich mit dem Aus gegen Zweitligist Middlesbrough, und gegen Atlético zerschellte die letzte theoretische Option auf eine Trophäe in dieser Saison. Gleichzeitig bestätigte sich zum x-ten Mal, dass Englands Rekordmeister nur noch „eine zweitklassige Mannschaft, ein Mitläufer, ein Lückenfüller“ (The Guardian) ist und eine umfassende Neuausrichtung benötigt, wenn er wieder zu alter Größe finden will.

Die deprimierende Bilanz zeigt auch, dass Rangnicks Verpflichtung als Interimstrainer nach dem Aus von Ole Gunnar Solskjaer wenig gebracht hat. Er hat einzelne Spieler verbessert, vor allem Sancho, und dem jungen Elanga den Durchbruch ermöglicht, konnte die grundsätzlichen Mängel bei United aber nicht korrigieren. „Seine vorübergehende Regentschaft stottert ihrem traurigen Ende entgegen“, schrieb die The Times nach dem Aus gegen Atlético. Davon, dass Rangnick über die Saison hinaus Trainer im Old Trafford bleiben könnte, ist keine Rede mehr.

Als Kandidaten auf seine Nachfolge gelten Mauricio Pochettino (Paris Saint-Germain) und Erik ten Hag (Ajax Amsterdam). Wegen der chaotischen Zustände beim FC Chelsea nach den Sanktionen gegen Klubbesitzer Abramowitsch wird neuerdings auch ein weiterer Name gehandelt – Thomas Tuchel.

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