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Nach Rausschmiss aus IslamkonferenzRadikalere Milli Görüs befürchtet

Es war falsch, dass der Innenminister die islamische Gemeinschaft von der Islamkonferenz ausgeschlossen hat, kritisieren Fachleute. Das schwäche die Reformer.

Angela Merkel empfängt im Juni 2009 die Teilnehmer der Islamkonferenz. Da war die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs noch mit von der Partie. Bild: dpa

BERLIN tazRenommierte Islamkenner hinterfragen die Entscheidung von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), den Islamrat aus der Islamkonferenz der Bundesregierung auszuschließen. "Ich sehe das kritisch", sagte der Islamwissenschaftler Michael Kiefer der taz. Er befürchtet, dass damit die "zaghaften Reformprozesse" bei der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG)" weiter erschwert werden.

De Maiziere hatte den Islamrat von der weiteren Teilnahme an der Islamkonferenz "suspendiert". Der Islamrat wird von der IGMG dominiert, gegen einige führende Mitglieder ermitteln die Staatsanwaltschaften Köln und München unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. "Mit solchen Repräsentanten kann ich mich nicht an einen Tisch setzen", sagte de Maiziere.

Die IGMG, die über 300 Moscheen betreibt, ist die größte islamistische Organistaion in Deutschland. Laut Verfassungsschutz hat sie 27.000 Mitglieder, nach eigenen Angaben 87.000. Milli Görüs (deutsch: "Nationale Sicht") geht zurück auf den türkischen islamistischen Politiker Necmetin Erbakan, der Anfang der 70er Jahre die Bekämpfung der säkularen und die Errichtung einer "gerechten Ordnung" auf islamischer Grundlage zum Ziel erklärte. Umstritten ist, wie strikt sich die IGMG an diesem Ziel noch orientiert. Während der Verfassungsschutz die "verbalen Bekenntnisse der IGMG zu Demokratie und Rechtsstaat" in Zweifel zieht, betont der IGMG-Experte Werner Schiffauer von der Universität Frankfurt/Oder die Integrationsbereitschaft insbesondere jüngerer Mitglieder.

Schiffauer hält den Ausschluss des Islamrats für falsch: "Das bringt dem Flügel, der gegen die Öffnung hin zur deutschen Gesellschaft ist, nur neue Argumente." Ermittlungen und Ausschluss führten dazu, dass die IGMG wieder stärker zusammenrücke. Schiffauer vermutet, dass das Innenministerium damit auch "einen ebenso kompeten wie unbequemen Gesprächspartner" loswerden will. Für die Islamismus-Kennerin Claudia Dantschke ist nun entscheidend, ob Länder und Kommunen dem Beispiel de Maizieres folgen und Milli Görüs ausgrenzen. Das wäre aus ihrer Sicht kontraproduktiv. "Es muss darum gehen, die Mitglieder vor Ort einzubinden."

Auf Landesebene sind die Konsequenzen unterschiedlich: Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) kündigte bereits an, alle Kontakte zum Islamrat und Milli Görus ruhen zu lassen. Mit beiden Organisation habe es bislang ohnehin nur informelle Gespräche gegeben. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dagegen hält den Ausschluss des Islamsrats für falsch. "Wenn man den Islam einbinden will, muss man mit allen Muslimen reden, auch den Kritischen," so Körtings Devise. Im Berliner Islamforum sind folgerichtig auch Verbände vertreten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Unterdessen drohen die islamischen Verbände, die sich im Koordinierungsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossen haben, nach dem Ausschluss des Islamrats weiter mit Konsequenzen für die Islamkonferenz. Am Montag trafen sie sich mit Spitzenbeamten des Bundesinnenministeriums, um über den Fortgang zu sprechen. Die Spitzen der vier Verbände, zu denen auch der Islamrat gehört, wollen im Laufe der Woche über das weitere Vorgehen entscheiden. "Es bleibt dabei: Wir behalten uns alle Schritte vor, was die weitere Teilnahme und die Bedingungen unserer Zusammenarbeit mit der Islamkonferenz angeht", sagte DITIB-Mann Bekir Alboga, der derzeit KRM-Sprecher ist, am Montag.

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11 Kommentare

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  • CM
    Claudia Müller

    Erste emotionale Idee, die ich aufschreiben möchte: Mir geht diese dauerbeleidigte Religion mittlerweile einfach auf die Nerven.

     

    Die nächste etwas intellektuellere Idee: Ja, ich denke, dass in diesem Land Muslime diskriminiert werden und ja, ich denke, dass es Muslime gibt, die ihren Glauben privat leben möchte und ja ich denke, dass es Staaten wie die Türkei gibt, die sich einen Einfluss auf hier lebende Muslime erhalten wollen und eben kein Interesse an muslimischen Deutschen mit türkischer Herkunft haben, aber emotional....

  • T
    TOM

    An Karl: Wieviele Hindus und Budhisten gibt es denn in Deutschland? Du kannst es gerne auch zusammenzählen und dann verzehnfachen und kommst dennoch nicht an die Anzahl der Moslems ran. Ich hoffe das war Antwort genug warum diese keinen benötigen. Wie brauchen ja auch keinen Mormonensektenrat, weil vielleicht 8,5 Leute davon hier rumlaufen.

  • H
    hoko

    Um die jugendlichen in ostdeutschland wieder mehr für die Demokratie zu interessieren, sollte das BMI auch Gespräche mit den Skinheads Sächsische Schweiz führen. Eine Gesprächsverweigerung führt nur dazu, dass sich diese weiter abgrenzen.

  • I
    Irene

    Ich bin entsetzt darüber, wie reflexhaft und selbstverständlich sich der Koordinationsrat der Muslime mit dem Islamrat solidarisch erklärt, noch bevor die staatsanwaltlichen Ermittlungen abgeschlossen sind.

     

    Er hätte wohl nicht das geringste Problem damit, "sich mit solchen Repräsentanten an einen Tisch zu setzen".

  • N
    Nemo

    eigentlich OHNE WORTE. wir sollen also islamisten einbinden, damit diese nicht noch radikalere islamisten werden. würden diese herrschaften (fachleute, LOL) auch befürworten neonazis in die komunen einzubinden, damit diese nicht noch faschistischer werden?

    welch schlag ins gesicht des einfachen, politisch ausgewogenen bürger dieses landes, dem man die radikalen am liebsten ins wohnzimmer setzen würde!

  • MH
    Martin Huber

    Hä? Beim Kampf gegen Rechts hat man doch auch keine Angst, daß isolierte Rechte sich weiter radikalisieren und Reformer geschwächt werden.

  • SK
    Silke Klar

    Sie haben einen Fehler in der Bildunterschrift: Das Foto ist von dem Empfang der Islamkonferenz bei der Kanzlerin im Jahr 2009!

     

     

    (Vielen Dank für den Hinweis! Ihre taz.de-Redaktion.)

  • K
    Karl

    Islam Konferenz - Alleine das so etwas angefangen wurde zeigt doch doch das irgendwas mit der Integration schief läuft.

     

    Warum ist es notwendig diese Konferenz anzuhalten aber keine für Hindus, Buddhisten oder sonstige?

     

    Religion ist Privatsache und hat nichts in der Politik zu suchen, ebenso sollte eine Religion keine politischen Ambitionen haben (von den Buddhisten habe ich noch nie irgendwelche Forderungen nach Sonderbehandlung gehört).

    Als Atheist stört mich auch das Glockengeläut der Kirchen aber ich muss es akzeptieren da dies schon seit Jahrhunderten existiert. Nicht akzeptable sind mich mich neue "Störungen" wie der Ruf eines Muezzin.

     

    Wenn ich mich als Anhänger des "God of Rock" erkläre darf ich ja auch nicht lautstark Rockmusik hören und meine Nachbarn damit belästigen.

  • A
    aso

    Welche

    "zaghaften Reformprozesse" bei der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ sollen das denn sein, die Islamwissenschaftler Michael Kiefer gefährdet sieht?

     

    Wenn Funktionäre wie Ibrahim El Zayat und andere in kriminelle Machenschaften verstrickt sind, und der Islamrat ein großes Problem hat sich zum Grundgesetz zu bekennen, ist ein Rausschmiss

    schon geboten, um den Ruf der DIK nicht zu gefährden:

     

    Seit März 2009 wurde bekannt, dass die Münchner Staatsanwaltschaft gegen den deutschen IGMG-Generalsekretär Ücüncü und weitere Funktionäre islamischer Organisationen wegen des Verdachts auf

     

     

    Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, in Deutschland auf illegalem Wege Geld zur Weiterleitung an militante islamistische Gruppen wie Hamas gesammelt zu haben.:

    http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E824E2D45D43B4407AE5B9D5D685D157E~ATpl~Ecommon~Scontent.html

     

    Bereits bei der letzten DIK kam es zum Eklat weil ZDM-Köhler eben diesen Ibrahim El Zayat einschleuste, und Zusagen zrückgezogen wurden:

    „...zum Beispiel die Passage zum Thema Wertekonsens, die besagt,

    dass die hier lebenden Muslime sich auf die demokratisch-freiheitliche Ordnung verpflichten müssen. Zurückgezogen wurde auch die Zustimmung zur Passage, die den Islamismus als Gefahr bezeichnet...“:

    http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E01016036B44C421C90293F71616657F0~ATpl~Ecommon~Scontent.html

     

    Ibrahim El Zayat

    wie auch die türkische Milli Görüs, sind politische Islamisten. Sie vertreten eine sehr radikale Haltung, die die absolute Geltung des Grundgesetzes nicht akzeptiert.

    Wie die terroristischen Islamisten kämpfen sie für die Verbreitung der Scharia, mit politischen Mitteln. Durch Taktieren und softe Formulierungen werden die wahren Ziele verschleiert.

     

    Eine Säkularisierung wie etwa ein „Deutsch-Islam“ soll verhindert werden. Zum Taktieren gehört auch eine angebliche Reformbereitschaft. Schwer vorstellbar bei einer Organisation mit Verbindungen zur Hamas.

     

    Auch Jürgen Kaube stellte bei der letzte DIK fest:

    „...In dieser Hinsicht nennt er es bemerkenswert, dass der „Koordinierungsrat der Muslime“ abgelehnt hat,

    die Werte, auf denen das Grundgesetz ruht, als auch für Muslime konsensfähig zu bezeichnen. Die Bedeutung der Konferenz liege darin,

    „darauf zu bestehen, dass diese Diskrepanz zwischen politischem Beteiligungswillen,

    deklarierter Absicht zur Integration und Resistenz gegen die säkularen Prämissen dieses Gemeinwesens nicht akzeptabel ist.“ ...“(Wiki, DIK)

  • O
    Oberhart

    Und wenn dann alle beisammen sind, wird nett gequackelt bei Kaffee und Kuchen... Was ist das Ziel der Islamkonferenz? Nach eigener Angabe den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und die Integration von Muslimen unterstützen.

     

    Wo ist der Sinn, Gespräche über eine Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und bessere Integration mit Vertretern zu führen, die die Gesellschaft in der BRD ablehnen und kein Interesse an Integration zeigen?! Die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft der Regierung wurde mit der Einladung von Mili Görüs zur ersten Konferenz signalisiert. Diese Konferenz ist grandios gescheitert, gerade auch weil der rechte Flügel keine Kompromissbereitschaft gezeigt hat. Wieso soll man diese Leute noch einmal einladen? Gäbe es eine Deutschkonferenz in der Türkei, mit dem Ziel den gesellschaftlichen Zusammenhalt zwischen Türken und Deutschen in der Türkei zu verbessern, wäre die NPD vielleicht auch nicht der beste Ansprechpartner.

  • K
    Krause

    "Ermittlungen und Ausschluss führten dazu, dass die IGMG wieder stärker zusammenrücke. Schiffauer vermutet, dass das Innenministerium damit auch "einen ebenso kompeten wie unbequemen Gesprächspartner" loswerden will. "

     

    In diesem Land gilt -auch gegenüber Muslimen - immer noch das Legalitätsprinzip. D.h. die Staatsanwaltschaft muss tätig werden, wenn sie Anhaltspunkte für eine Straftat hat (hier immerhin organisierte Kriminalität). Aus Gründen der political correctness so etwas unter den Tisch fallen lassen, wäre wohl so richtig nach dem Geschmack von Herrn Schiffauer.