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Nach Kritik von FDP-VizeMerkel verteidigt Hotel-Steuersenkung

Aus Angst vor einer Wahlschlappe in Nordrhein-Westfalen hat FDP-Vize Pinkwart eine Rücknahme der Hotel-Steuersenkung verlangt. Parteifreunde und die Kanzlerin widersprechen ihm.

Geschenk von der Bundesregierung: Hotel in Binz. Bild: dpa

BERLIN dpa/apn | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weist den Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen für ein Ende der Mehrwertsteuer-Senkung bei Hotelübernachtungen zurück. Sie ist aber zu Änderungen bei der Umsetzung im Gastgewerbe bereit.

"Der reduzierte Mehrwertsteuersatz war und ist Teil der Koalitionsvereinbarungen. Die derzeitige Regelung bleibt unverändert", sagte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach am Montag in Berlin. "Es wird allerdings bei den Ausführungsbestimmungen Bund-Länder-Gespräche geben, um den Aufwand, der in der Praxis zum Teil betrieben werden muss - Stichwort Frühstücksregelung - so gering wie möglich zu halten."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und sein FDP-Stellvertreter Andreas Pinkwart wollen die unpopuläre Steuerermäßigung kippen. Sie ist seit Jahresbeginn in Kraft. In NRW wird am 9. Mai ein neuer Landtag gewählt, CDU und FDP müssen dort um ihre Mehrheit bangen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will ebenfalls am Gesetz festhalten, auch er kündigte aber eine Vereinbarung zur praktischen Umsetzung an. Es gebe "ein demokratisch legitimiertes Gesetz, das alle wollten, das dem Koalitionsvertrag entspricht und dessen Feinheiten, dessen einzelne Problemstellungen jetzt, wenn sie denn da sind, auch weiter klargemacht werden müssen", sagte Ministeriumssprecher Michael Offer. Zur Äußerung Pinkwarts, das Gesetz sei ein "bürokratisches Monster", wollte er nicht Stellung nehmen.

Der Streit über die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers sorgt indes auch innerhalb der FDP für Wirbel. Die Fraktionschefin im Bundestag, Birgit Homburger, wies einen entsprechenden Vorschlag ihres Parteikollegen Andreas Pinkwart zurück. "Wir bleiben bei unserer verlässlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik", sagte sie der "Rheinischen Post".

"Auch wenn es Kritik an einigen Punkten der Ausführung gibt, bleibt die Entlastung für die vielen kleinen Hotels, Pensionen und Ferien auf dem Bauernhof richtig", wird Homburger zitiert. Gleichwohl wäre es nach ihrer Ansicht gut, wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble die Kritik an den Ausführungsbestimmungen zum Anlass nähme, diese nochmals zu überprüfen.

Auch FDP-Chef Guido Westerwelle distanzierte sich deutlich vom Vorstoß seines Stellvertreters Pinkwart. Das FDP-Präsidium vertrete eine andere Meinung als Pinkwart, sagte Westerwelle am Montag . Er bleibe dabei, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz bei Beherbungsleistungen wegen der Entlastung des Mittelstands richtig sei. Zu dem Vorstoß Pinkwarts sagte Westerwelle: "Wir leben in einer Demokratie, da hat jeder ein Recht auf freie Meinung."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, erneuerte seine Kritik an der Gesetzesänderung. "Die Steuersenkung ist eine der größten Fehlleistungen dieser Bundesregierung", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Wir haben deshalb bereits in der vorigen Woche einen Antrag eingebracht mit dem Ziel, dass das rückgängig gemacht wird. Wir werden diesen Antrag noch vor Ostern zur namentlichen Abstimmung bringen." Dann müssten auch die nordrhein-westfälischen Abgeordneten Farbe bekennen.

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5 Kommentare

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  • G
    Gastwirt

    Seltsam wie schnell die beiden NRW Politiker ihre eigenen Fehler einsehen und unter grossen Medien Echo es unters gemeine Volk "sülzen".

    Als Gastwirt der eigenständig ein Familien-Restaurant führt, umzingelt von

    Geschmacklosen Designer-Hotels ist uns der reduzierte Steuersatz natürlich ein Dorn im Auge. Seit Anfang des Jahres erfahre ich aus seriösen Quellen das angeschlossene Hotel-Restaurants mit "kleinen" Tricks auch ihre Speisen dem reduzierten Steuersatz "unterwerfen".

    Aber bitte, was soll man schon von Geschmacklosen FDP-Politikern wie Arbeiterführer Rüttgers erwarten?

    Geschmacklose Politik halt und da tut es auch nicht gross zur Sache wenn "Gelbe" Discounter auch nur den reduzierten Steuersatz zahlen.

    Während für Kochkunst 19% verlangt wird.

    Rumheulen bringt rein gar nicht ausser den Kochlöffel zu schwingen und Richtung FDP zu werfen. Löffelt mal den scheiss selber aus !

     

    Guten Appetit :-)

  • B
    BGoldie

    Diese Steuererleichterung ist vor allem fuer Kleinstgewerbe oder auch Handwerker ein Schlag ins Gesicht, diejenigen, die schon ab 10000 Euro Jahresumsatz voll MWSteuer veranlagt sind und sich im europaeischen oder auch weltweiten Markt mit anderen Kleingewerben konkurrieren muessen. In England ist man z.B. erst ab 75000 Pfund Mehrwertsteuer veranlagt. Dass D mit 19% auch noch zu den hoeheren MWSteuersaetzen in der EU gehoert und der Euro gerade fuer andere Waehrungen wie Pfund oder Dollar in den letzten Jahren 30% oder mehr teurer geworden ist, macht es auch nicht leichter. Es waere besser, wenn man solche Erleichterungen dort gewaehren wuerde, wo auch der normale Buerger was von hat, naemlich bei seinem Dienstleister/Handwerker vor Ort.

  • K
    kuwer.twoday.net

    Mich verwundert, dass die Dumpfheiten unserer ohnmächtigen "Machthaber" eine solche mediale Aufmerksamkeit erlangen. Wäre es nicht sinnvoller die Mächtigen, die Verwalter des Kapitals mit entschiedener Aufmerksamkeit zu bedenken. Schließlich steht "unser" Staat bei jenen mit Billionen in der Schuld. Wie sich ein Schuldner zu verhalten hat, ist ja bekannt.

  • E
    end.the.occupation

    >> Es gebe "ein demokratisch legitimiertes Gesetz ..."

     

    Offensichtlich ist nicht das Gesetz allein ein Problem, sondern die real existierende Spenden-Demokratie.

     

    Ach ja - in der taz nennt man diese neo-feudale Günstlingswirtschaft ja 'pragmatisch' und 'reformorientiert'.

  • AB
    Anna Behrendt

    Sehr geehrter Herr Pinkwart,

    auch als Volkswirt sollte ihnen der Rechtsgrundsatz "Pacta sunt servanda." bekannt sein. Mövenpick hat gezahlt, dann hat die FDP gefälligst auch zu liefern.