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Nach Kritik für taz-Satire Die taz debattiert

Ein Text auf der „Wahrheit“-Seite der wochentaz will einem Teil der Palästina-Solidaritätsbewegung den Spiegel vorhalten. Seitdem diskutiert die taz-Belegschaft über Stereotype und Kriegsopfer in satirischen Texten

Foto: taz

Aus der taz | Jeden Tag aufs Neue suchen wir nach Worten für die Verbrechen in Gaza. Israels Militär und Regierung ist seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober das Menschenrecht in Gaza egal, und man schert sich in den Entscheiderrängen nicht um völkerrechtliche Standards – von schlichter Humanität ganz zu schweigen.

Die Menschen werden wieder und wieder vertrieben, sie leiden, sie hungern, sie sterben. Und keine Berichterstattung, kein Appell, keine Resolution, keine Forderung, die die internationale Gemeinschaft an Israel richtet, zeigt eine Wirkung.

Darf man in dieser Situation jenem Teil der Palästina-Solidaritätsbewegung, in dem Antisemitismus gedeiht, auf bitterböse Weise den Spiegel vorhalten, noch dazu in Form einer Satire? Ist es zulässig aufzuzeigen, dass das Leid der Menschen auch politisch instrumentalisiert wird? Und darf Satire, die sich häufig Stereotypen bedient, in dieser verheerenden Lage tatsächlich mit Stereotypen spielen?



Kriegsopfer als Satireobjekt?

Gleich vorab: Wir haben dazu keine generelle Antwort – erst recht keine, die alle Seiten zufrieden stellen würde. Doch seit in der wochentaz vom 20. September 2025 ein Satiretext unter dem Titel „Mit Gänsehaut auf die Geiselbahn – im neuen Gaza-Erlebnispark wird Ausnahmezustand für Krisentouristen als spannende Inszenierung erfahrbar“ erschienen ist, diskutiert die Redaktion der taz intensiv darüber. Es gibt das enorm starke Bedürfnis im Haus, die großen internen Differenzen der taz zu diesem Text auch nach außen zu tragen.



Viele Kolleg:innen verwahren sich dagegen, Kriegsopfer als Satireobjekt zu gebrauchen oder zu missbrauchen. Sie sehen in den verwendeten Stereotypen die Grenzen zum Rassismus überschritten, insbesondere wird ein Klischee des „antisemitischen Arabers“ beklagt. Das ist, kurz gefasst, was bei uns gerade debattiert wird.

Zudem empört es eine große Zahl an Kolleg:innen, dass der Text als generelle taz-Position wahrgenommen wird. Er sei empathiefrei und zynisch – Satire hin oder her –, und falle damit jenen in den Rücken, die sich jeden Tag mit sehr viel Arbeitskraft darum bemühen, eine dauerhaft seriöse Berichterstattung zum Thema Gaza und Nahost zu leisten. Diese müssen ja auch angemessen mit der vorhandenen Diversität von Standpunkten und Haltungen innerhalb der taz umgehen. Und außerhalb der taz wird ein taz-Text eben als taz-Text gelesen. Im Netz zirkuliert der Text unverbunden, ohne seine kontextgebende Zeitungsseite.

Recht der Satire

Wir bilden die Nahostdebatte weiterhin in der größtmöglichen Spannbreite ab. Diesen Spagat halten wir seit dem 7. Oktober trotz oft wütender Diskussionen im Gegensatz zu vielen anderen Medien und Organisationen aus.

Die taz steht weiterhin für das Recht der Satire, (beinahe) alles zu dürfen und auch Geschmacksgrenzen zu überschreiten. Es ist das Konzept unseres Satireressorts, der Wahrheit, auch genau dies zu tun: Debatten in der gesellschaftlichen Linken ungemütlich zu machen. Die taz lebt gleichzeitig einen antirassistischen Grundkonsens, Tag für Tag. Das steht für die Redaktion nicht infrage. Deshalb führen wir die Diskussion weiter.

🐾 Ulrike Winkelmann, Barbara Junge und Katrin Gottschalk führen gemeinsam die Chefinnenredaktion der taz.