Nach Kritik aus der CDU: Böhmer relativiert Babymord-Zitate
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer rudert nach Kritik aus der eigenen Partei zurück - so habe er das im Interview alles nie gesagt.
BERLIN taz Nach den umstrittenen Äußerungen des sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (CDU) zu Kindstötungen kommt auch aus der eigenen Partei Kritik. Die thüringische Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski nannte Böhmers Äußerungen "bedauerlich". Kindstötungen seien ein gesamtdeutsches Problem, sagte sie der taz. "Ich warne davor, hier Unterschiede zwischen Ost und West herauszustellen. Die jungen Frauen, um die es in der Diskussion geht, sind im vereinten Deutschland aufgewachsen."
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hatte nach einer Reihe von Kindstötungen in Ostdeutschland in einem Interview die liberale Abtreibungspolitik der DDR verantwortlich gemacht. Diese habe zu einer "leichtfertigeren Einstellung zu werdendem Leben in den neuen Ländern" geführt. Kindstötungen seien "für manche ein Mittel der Familienplanung".
CDU-Vorstandsmitglied Schipanski wies Böhmers Behauptungen zurück. Die Motive von Kindstötungen seien keinesfalls auf die DDR-Abtreibungspraxis, sondern auf soziale Ursachen zurückzuführen. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) warnte vor "Stigmatisierungen", die den neuen Ländern insgesamt schadeten. CDU-General Ronald Pofalla sagte, er halte "überhaupt nichts von eindimensionalen Erklärungen".
Böhmer selbst hat sich nach Angaben von Teilnehmern in der CDU-Präsidiumssitzung am Montag gerechtfertigt. Er sei in dem Fokus-Interview verkürzt wiedergegeben worden, meinte er. Vor der Präsidiumssitzung hatte Böhmer bereits die Äußerungen zur DDR-Abtreibungspraxis und den Kindstötungen öffentlich relativiert. "Ich kann nur sagen, dass das Begleitumstände sind, die möglicherweise diese Entwicklung mit beeinflusst haben", sagte er dem MDR. Die Behauptung, die DDR sei die Ursache für die Kindstötungen, habe er nie aufgestellt. "So einfach kann man sich ein solches Problem wirklich nicht machen."
Auch in der großen Koalition in Sachsen-Anhalt haben Böhmers Äußerungen für Unmut gesorgt. Die Sozialministerin des Landes, Gerlinde Kuppe (SPD), verlangte eine eindeutige Klarstellung. "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den DDR-Regeln zum Schwangerschaftsabbruch und den Kindstötungen, die heute stattfinden", sagte Kuppe der taz. "Hier verbietet sich jede auch nur indirekte Verbindung." Zuvor hatte Wolfgang Tiefensee (SPD), Regierungsbeauftragter für die neuen Länder, eine Entschuldigung verlangt.
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