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Nach Israel per Dienstanweisung

Angesichts des Palästinenser-Konflikts wollte Nürnberger Betreuerteam einen Jugendaustausch nach Hadera absagen / Arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht / Nürnberg mauschelt um Partnerschaft  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Damit wünschen wir uns allen eine tolle, sonnige Zeit und viel aktives Erleben in Israel.“ Mit einem Faltblatt warb das Jugendamt der Stadt Nürnberg um TeilnehmerInnen für den Jugendaustausch mit Israel Anfang August. Doch seit Mitte Mai will das veranstaltende Betreuerteam vom Freizeitheim Klüpfel nicht mehr fahren und sorgt damit bis heute für Wirbel in der Stadtverwaltung. Angesichts des sich seit Ende letzten Jahres verschärfenden Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern sieht sich das Klüpfel-Team außerstande, eine Ferienfahrt nach Israel zu verantworten und auf Kontakte in der Westbank und im Gazastreifen zu verzichten. „Dies wäre die Verzerrung der Problematik und die stillschweigende Legalisierung von Krieg, Mord und Unterdrückung“, schreiben die Betreuer daher an den Jugendamtsleiter Wagner (SPD) und die städtische Sozialreferentin Mielenz (SPD). Die Verwaltungsspitze reagiert sofort. Schon zwei Tage später liegt eine Dienstanweisung auf dem Tisch. Dem Team wird darin klargemacht, daß sie die Fahrt machen müssen, alles andere gelte als Arbeitsverweigerung. Der Jugendamtsleiter spricht von einem „unentschuldbaren Affront“, einer „bewußten Illoyalität und Provokation“, nichts geringeres als die bestehende Städtefreundschaft zwischen Nürnberg und Hadera stünde auf dem Spiel.

1974 hatte die Junge Union erste Kontakte zu der 40.000 Einwohner zählenden Stadt zwischen Haifa und Tel Aviv geknüpft. Erst seit Januar 1986 ist die Freundschaft perfekt. Haderas Bürgermeister Yechiel Kahana mußte vorher massive Bedenken des Außenministeriums und des konservativen Likud-Blocks wegen der besonderen Stellung Nürnbergs im Dritten Reich ausräumen. Hadera und Nürnberg beschlossen laut Vertrag eine enge Zusammenarbeit auf den Gebieten des Jugend-, Familien-, Experten-, und Kulturaustausches. Nürnberg ist damit Bayerns einzige größere Stadt, die Beziehungen zu Israel unterhält. Ein halbes Jahr später kommt es zum Streit, weil der damalige Oberbürgermeister Urschlechter es ablehnt, Hadera Gelder für medizinische Geräte zur Verfügung zu stellen. Schon steht der CSU -Fraktionsvorsitzende Holzbauer auf der Matte und verweist auf die Partnerschaft mit San Carlos in Nicaragua, für die „scheinbar mühelos über 200.000 DM jährlich“ fließen.

Derzeit laufen Gespräche mit Hadera, um aus der Freundschaft eine von Nürnberg lang ersehnte Partnerschaft werden zu lassen. Kein Wunder, daß in diesem „unglaublich sensiblen Bereich“ (Nürnbergs Presseamtschef Neudecker) die Argumente des Klüpfel-Teams keine Rolle spielen. „Die Reise wäre ohnehin erfolgt, auch ohne das Team“, gibt Helmut Herz vom Jugendamt unumwunden zu. Während Amtsleiter Wagner sich auf Formfehler des Teams versteift, verweist Referentin Mielenz darauf, daß eine derartige Reise nach Israel nicht automatisch die Legitimierung des jeweiligen Regimes bedeutet.

Seit Ende letzter Woche ist die Sache - so Mielenz endgültig geklärt. Das Team fährt, weil es fahren muß. Die Forderungen, ein Krankenhaus in Ost-Jerusalem zu besuchen oder mit Vertretern der UNO-Flüchtlingsorganisation UNRWA zu sprechen, werden nicht erfüllt. Statt dessen wird in das Freizeitangebot ein 3-Tages-Programm zur „Friedensproblematik im Nahen Osten“ und der Besuch eines arabischen Dorfes neu aufgenommen. Der Appell von 18 weiteren Nürnberger Freizeitheim-MitarbeiterInnen, die Entscheidung des Teams angesichts der Situation in Isreal zu respektieren, ging ins leere. In einer Solidaritätserklärung schrieben sie: „Ein sinnvoller Jugendaustausch erfordert schließlich nicht nur ein ausführendes Organ, sondern auch persönliches und politisches Engagement. Dies läßt sich nicht per Dienstanweisung ersetzen.“

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