Nach Beben in Haiti: Zehn Milliarden Dollar nötig
Nach dem schweren Erdbeben wird Haiti für viele Jahre auf Hilfe angewiesen sein. Eine Koordination der internationalen Hilfsprojekte ist notwendig. Die Angst vor Unruhen ist groß.
PORT-AU-PRINCE afp/dpa | Der schwer zerstörte Karibikstaat Haiti benötigt nach Ansicht der Dominikanischen Republik rund zehn Milliarden Dollar für den Wiederaufbau. Nötig sei ein fünfjähriges Hilfsprogramm, sagte Präsident Leonel Fernandez am Montag bei einem Treffen mit seinem haitianischen Amtskollegen René Préval in Santo Domingo. In der zerstörten Hauptstadt Haitis trafen 2200 US-Marinesoldaten ein, um der erschütternden Lage Herr zu werden.
Um die für Haiti benötige Hilfe sicherzustellen und zu kontrollieren seien eine "zentrale Behörde" in Haiti sowie eine Koordinierung auf internationaler Ebene nötig, sagte Fernandez, der mit Préval und Vertretern weiterer Länder der Region ein internationales Treffen für Haiti vorbereitete. US-Präsident Barack Obama schlug seinem brasilianischen Kollegen Luiz Inacio Lula da Silva vor, gemeinsam mit den USA und Kanada die Führung beim Krisenmanagement der humanitären Hilfe für Haiti zu übernehmen.
In der schwer von dem Erdbeben gezeichneten haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince traf ein US-Amphibienschiff mit 2200 Marinesoldaten an Bord ein. Nach US-Angaben haben die Soldaten Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente an Bord, die Verteilung der Güter solle umgehend beginnen.
Das Rote Kreuz warnte vor einem Ansteigen der Gewalt in dem Katastrophengebiet, unter den Überlebenden nahmen aus Verzweiflung über die vielerorts noch ausbleibende Hilfe Plünderungen zu. "Die Nerven liegen blank, während den hungrigen und durstigen Überlebenden langsam bewusst wird, was sie verloren haben", erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).
In der zerstörten haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince gab es nach Angaben von Ärzten bereits die ersten Opfer gewaltsamer Auseinandersetzungen. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete in einer Telefonkonferenz von Menschen mit Schuss- und Stichverletzungen. Auch am Flughafen seien Schüsse zu hören gewesen.
Das Welternährungsprogramm (WFP) verteilte mehr als 100.000 Essensrationen und etwa 20.000 Zelte an die zahlreichen Obdachlosen nach der Katastrophe. Das Erdbeben der Stärke 7.0 hatte den bitterarmen Inselstaat am vergangenen Dienstag erschüttert. Mindestens 70.000 Menschen starben, Experten rechnen inzwischen mit bis zu 200.000 Todesopfern.
Die USA lockerten unterdessen die Einreisebestimmungen für haitianische Waisenkinder, die in den USA bereits für eine Adoption zugelassen wurden. Nach Angaben der US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano dürfen die Kinder auch ohne ausreichende Papiere in die USA einreisen, um dort "die benötigte Hilfe" zu erhalten. Frankreich erwog am Montag eine ähnliche Ausnahmeregelung.
Der UN-Sondergesandte für Haiti, Bill Clinton, wies Vorwürfe, die Hilfe erreiche die Opfer zu langsam, zurück. Bei dem Erdbeben sei die "gesamte Infrastruktur zusammengebrochen, und die bauen wir jetzt wieder auf", sagte Clinton am Montag nach einer ersten Tour durch die zerstörte haitianische Hauptstadt. Anschließend besuchte er das Krankenhaus von Port-au-Prince.
Demgegenüber mahnte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) eine zügigere Versorgung der Erdbebenopfer in Haiti an. Bislang habe die internationale Hilfe erst einen Bruchteil der betroffenen Haitianer erreicht, sagte Niebel der "Saarbrücker Zeitung" vom Dienstag. Dies müsse in den nächsten Tagen "dringend ausgeweitet werden".
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