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Nach 40 Jahren ein Anfang in Korea?

■ Südkoreas Präsident trifft mit seinem Richtlinienprogramm für eine künftige „Nordpolitik“ mitten ins Herz koreanischen Wunschdenkens Will Südkorea wirklich eine neue Politik beginnen - oder nur innenpolitischem Druck entgehen und die Olympiade sichern?

Seoul (dpa) - „Im Süden nichts Neues“, unkten die einen, von Durchbruch sprachen die andern. Als Südkoreas Staatsoberhaupt Roh Tae Woo am 7.Juli in einer landesweit ausgestrahlten Erklärung ein Richtlinienprogramm für die künftige Politik seiner Regierung gegenüber dem verfeindeten Bruder im Norden vorlegte, war Skepsis zwar nicht aus dem Weg geräumt, doch überwog hoffnungsvoller Optimismus.

Zwar soll Rohs Vorstoß nicht zuletzt von innenpolitischen Kontroversen ablenken - wie der Frage nach den Verantwortlichen der blutigen Niederschlagung des Volksaufstandes von Kwangju 1980 oder der Verwicklung seines Vorgängers Chun Doo Hwans in Korruption und Unterschlagung. Doch spricht vieles dafür, daß das Konzept zur „Nordpolitik“ eine Entspannung auf der koreanischen Halbinsel ernsthaft anstrebt.

Demnach will man für zwischenmenschliche Begegnungen nicht nur zwischen Politikern und Geschäftsleuten, sondern auch Journalisten, Kulturschaffenden, Kirchenvertretern, Akademikern, Sportlern und Studenten aus beiden Teilen Koreas eintreten. Auch die Zusammenführung von seit dem Ende des Korea-Kriegs 1953 zersprengten Familien steht auf dem Programm, ebenso wie die Aufnahme bilateralen Handels sowie die grundlegende Verbesserung eigener Beziehungen mit China, der UdSSR und anderen sozialistischen Staaten. Vor allem aber wird in nie dagewesener Deutlichkeit, wie Kenner des Landes bestätigen, Abschied genommen vom Konfrontationskurs der letzen vier Jahrzehnte.

Grundsätzlich neu sind die von Roh formulierten Ideen nicht. Dennoch wird seine Erklärung als Signal für eine Abkehr Südkoreas von der bisher verfolgten Strategie internationaler Isolierung des Nordens gewertet. So war denn auch am Donnerstag die Resonanz durch sämtliche politischen Lager hindurch positiv. Jene, die den Präsidenten und seine Regierung der Propaganda und des Schönwetter-Machens bezichtigten, blieben in der Minderheit. Mit der konsequenten Fortsetzung seiner in den vier Monaten seiner Amtszeit begonnenen Öffnung Südkoreas gegenüber sozialistischen Staaten hat Roh mitten ins Herz koreanischen Wunschdenkens getroffen. Daß dabei auch pragmatische Gründe eine Rolle spielen, ist unbestreitbar.

„Wenn wir Handel mit dem Ostblock treiben wollen, können wir uns dem Norden gegenüber nicht länger verschließen“, kommentiert ein Geschäftsmann. Doch auch innenpolitischer Druck sowie der außenpolitische Faktor einer wachsenden Entspannung zwischen den Blöcken dürften Roh neben wirtschaftlichen Interessen zu seinem Vorstoß bewogen haben. Nicht zuletzt aber, so war aus diplomatischen Kreisen in Seoul zu vernehmen, habe wohl auch die Sorge um die Olympischen Spiele im September in Seoul mitgespielt.

So ist ein Prozeß in Gang gesetzt, den vor gut einem Jahr noch kaum jemand für möglich gehalten hätte: Feindbilder, die südkoreanische Regierungen vier Jahrzehnte lang als Vorwand für Unterdrückung, Willkürherrschaft und Militärgewalt dienten, werden abgebaut.

In einem ersten Maßnahmenkatalog wurde in Erwägung gezogen, anti-nordkoreanische Rundfunk- und Fernsehsendungen abzuschaffen, das Bild des Nordens in Schulbüchern und das Staatssicherheitsgesetz zu revidieren. Dieses Gesetz bringt jeden, der mit nordkoreanischen Informationen oder Personen in Kontakt kommt, in Spionageverdacht.

Birgit Schwarz-Tenbrock

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