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NRW–Volksbegehren vor Gericht

■ Atomkraftgegner klagen vor Landesverfassungsgericht gegen die Ablehnung ihres „Volksbegehrens gegen Atomkraft“ / NRW–Innenminister dazu: Stillegung ist „diskutabel“, die Entscheidung liegt aber beim Bund

Aus Münster Sabine Böhne

Über die Verfassungsbeschwerde der nordrhein–westfälischen „Aktion Volksbegehren gegen Atomanlagen“ hat am Donnerstag der Landesverfassungsgerichtshof in Münster verhandelt. Das überparteiliche Aktionsbündnis, von dem sich die Jusos allerdings zurückgezogen haben, war vor das Landesgericht gezogen. Das Ziel, die Stillegung aller Atomanlagen, soll über den juristischen Winkelzug der Verstaatlichung erreicht werden. Ein direktes Volksbegehren zur Stille gung wäre als Eingriff in die atomrechtliche Befugnis des Bundes nicht zulässig gewesen. Die Landesregierung hatte das Verfahren abgelehnt, weil der Zweck der Verstaatlichung nur „vorgeschoben“ und die anschließende Stillegung von Industrieanlagen verfassungsrechtlich nicht möglich sei. Das bestritt die Bielefelder Rechtsanwältin Ingrid Maas, die die Verfassungsbeschwerde formuliert hatte. Der „Sozialisierungsparagraph“ 15 des Grundgesetzes sehe eine Verstaatlichung von Betrieben keineswegs nur zum Zwecke des Weiterbetriebes vor. Orientierungspunkt einer demokratischen Verfassung sei vielmehr der Gemeinwohlgedanke. Der müsse an der immer offenkundiger werdenden mangelnden Umweltverträglichkeit und der Gefährdung der Bevölkerung durch Atomanlagen gemessen werden. Deshalb sei eine Verstaatlichung zum Zwecke einer Stillegung auch vor dem Grundgesetz durchaus möglich. Landesinnenminister Herbert Schnoor bewertete dagegen das Volksbegehren als Eingriff in das vom Bund festgelegte Energieversorgungskonzept. Die Stillegung der Atombetriebe bezeichnete er als „politisch diskutables Ziel“, das man auch selbst verfolge. Das einmal festgelegte Energiekonzept könne jedoch nicht durch eine Landesregel unterlaufen werden. Von dem Bremer Juristen Prof. Gerd Winter als Verfahrungsbevollmächtigten der „Aktion Volksbegehren“ mußte er sich daraufhin den Vorwurf der Inkonsequenz gefallen lassen. Schließlich sei die Folge solch „bundesfreundlichen Verhaltens“, auch den schnellen Brüter in Kalkar ans Netz gehen zu lassen. Die Entscheidung fällt erst im Februar.

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