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NRW-Prüfungsordnung in der KritikWaldorfschüler "klar benachteiligt"

Die neue Prüfungsordnung in Nordrhein-Westfalen benachteiligt Waldorfschüler. Ihre Schulnoten sollen beim staatlichen Abschluss nicht mehr berücktsichtigt werden.

Die Prüfungsordnung des NRW-Schulministerium wird von Waldorfschulen stark kritisiert. Bild: dpa

Theresa und Leonie waren erst geschockt, jetzt sind sie wütend. Beide gehen in die zehnte Klasse der Rudolf-Steiner-Waldorf-Schule in Dortmund. Beide wollen im nächsten Schuljahr die Prüfung zur mittleren Reife ablegen. Damit gehören sie zur ersten Stufe von Waldorfschülerinnen in Nordrhein-Westfalen, die dazu an zentralen Klausuren in Mathe, Englisch und Deutsch teilnehmen müssen. Das ist für die Schülerinnen kein Problem. Sauer sind sie wegen der Regeln, die dabei gelten sollen: "Die neue Prüfungsordnung ist für uns Waldorfschüler total ungerecht", sagt Theresa. "Im Vergleich zu den anderen Schulen werden wir ganz klar benachteiligt." Das sehen die Schüler, Eltern und Lehrer der 49 Waldorfschulen in NRW genauso. 20.000 Unterschriften sammelten sie gegen die geplante Prüfungsordnung.

Nach Plänen des nordrhein-westfälischen Schulministeriums sollen bei Waldorfschülern künftig allein die Noten der zentralen Klausuren in die Endnote des Hauptschulabschlusses oder der mittleren Reife einfließen. Ganz anders als bei Schülern öffentlicher Schulen: Bei diesen bilden die Ergebnisse aus den Zentralklausuren nur eine Hälfte der Abschlussnote. Die andere Hälfte errechnet sich aus den sogenannten Vornoten, berücksichtigt also auch Leistungen der Schüler aus dem letzten Schuljahr.

Das Schulministerium begründet die Pläne mit dem pädagogischen Ansatz der Waldorfschulen. Diese gingen als "Ersatzschulen eigener Art" organisatorisch wie pädagogisch einen anderen Weg als staatliche Schulen, heißt es in einer Stellungnahme. Staatliche Abschlüsse könnten jedoch nur über staatliche Prüfungen erworben werden. Im Waldorfbildungsgang erbrachte Leistungen zählten daher nicht.

Also auch nicht die Vornoten von Theresa und Leonie. "Für uns ist dadurch der Druck bei der Klausur viel größer", sagen sie. Schließlich hänge damit die gesamte Abschlussnote von der Tagesform am Prüfungstag ab. Auch Klaus-Peter Freitag von der Arbeitsgemeinschaft Waldorfpädagogik ärgert sich über die Pläne aus dem Ministerium. Dass die Vornoten bei Waldorfschülern nicht zählen, sei nicht das einzige Problem. "Auch bei den Nachprüfungen sehen wir die Waldorfschüler extrem benachteiligt." Die Prüfungsordnung in NRW sieht vor, dass sich Schüler staatlicher Schulen mündlich nachprüfen lassen können, wenn sich Prüfungsnote und Vornote um zwei Noten unterscheiden. Sie können ihre Leistung so nachträglich aufbessern. Waldorfschüler aber sollen sich nur dann nachprüfen lassen dürfen - und ausschließlich schriftlich -, wenn sie sonst durchfallen würden. Für Freitag ein Skandal: "Unsere Schüler haben damit keinerlei Chance, mündliche Leistungen in die Bewertung einzubringen, weder durch Vornoten noch in einer Nachprüfung." Gerade in Fächern wie Deutsch und Englisch sei das absurd.

Der Schulausschuss des Landtags will nun eine Expertenrunde zur Prüfungsordnung einberufen. "Wir werden den Entwurf ergebnisoffen diskutieren", so ein Schulministeriumssprecher. Und Ministerin Barbara Sommer (CDU) fand letzte Woche in der Sitzung wertschätzende Worte für die Waldorfschulen. Freitag hofft daher, "dass wir doch noch zu einer einvernehmlichen Regelungen kommen können". Falls nicht, erwartet er Klagen gegen die Prüfungsregeln. Für Theresa, Leonie und ihre 32 Mitschüler kämen diese jedoch reichlich spät. Geklagt werden kann erst, wenn die ersten Waldörfler ihren Abschluss gemacht haben - nach den neuen Regeln.

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