■ NOCH 3348 TAGE BIS ZUM JAHR 2000: Leben auf der Überholspur
Sieht man sich gezwungen, wegen eines Notstandes Vorschriften und Gesetze zu verletzen, so muß das dabei verfolgte Interesse bedeutend höherrangig sein als das verletzte Rechtsgut“, sprach der Richter und meinte damit: Das Leben eines Menschen ist mehr wert als das eines Vogels. Der weise Richter verdonnerte einen Autofahrer zu 450 Mark Geldstrafe, weil er die zulässige Geschwindigkeit um 54 Stundenkilometer überschritten hatte. Dabei wollte der arme Raser nur seinen im Koma liegenden Wellensittich so schnell wie möglich zu einem Arzt bringen. Nach dem Motto: „Scheiß auf die Verkehrsregeln, mein Vogel ist krank“ schaltete der Tierfreund das Hirn aus und konzentrierte sich ganz auf seinen Bleifuß. Nach Ansicht des Gerichts war das ein Fehler, da er zur Rettung seines gefiederten Hausgenossen die Gefährdung von Menschenleben in Kauf nahm.
Eine noch bessere Ausrede hatte eine 36jährige Hausfrau aus dem Raum Gießen, die mit ihrem Sportwagen etliche Straßenverkehrsregeln mißachtete und außerdem beinahe einen Polizisten plattgemacht hätte. Wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Widerstand gegen Polizeibeamte in einem besonders schweren Fall und einer Ordnungswidrigkeit wurde sie jetzt zu einem Jahr Haft mit Bewährung verurteilt. Ihr Führerschein wurde für zwei Jahre gesperrt. Dabei hatte alles eigentlich recht harmlos angefangen. Die Frau war vor einem Jahr auf der als gefährlich bekannten Gefällstrecke des Elzer Berges der Autobahn Köln-Frankfurt ungeachtet der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h mit etwa 134 Sachen bergab gedonnert. Dabei geriet sie in eine Radarfalle. Auf der Abbiegespur der Autobahn hatte danach ein Polizist versucht, die mit inzwischen Tempo 200 nahende Fahrerin zum Anhalten zu veranlassen. Ein völlig sinnloses Unterfangen, die Mehlmütze mußte sich mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen. Nach einer kilometerlangen Hetzjagd konnte die flotte Hausfrau schließlich von mehreren Polizeifahrzeugen auf der Bundesstraße 49 gestoppt werde. Nun hätte sich die rasende Dame eine clevere Entschuldigung einfallen lassen können. Sie hätte z.B. behaupten können, sie würde dem ADAC glauben, der letzte Woche veröffentlichen ließ, daß auf Autotachometer kein Verlaß sei, Abweichungen bis zu 30 km/h seien möglich. Statt dessen erklärte sie den verdutzten Beamten, sie hätte einen dringenden Termin beim Friseur, man möge sie doch bitte nicht länger belästigen. Karl Wegmann
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