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■ NOCH 3337 TAGE BIS ZUM JAHR 2000Die Spiele der Erwachsenen

Spiele werden bei den Deutschen immer beliebter. Dabei zeigen die Germanen nicht besonders viel Phantasie. Im Trend stehen Spiele, die von Fernsehsendungen abgeleitet werden, wie „Die goldene Eins“ oder „Graf Duckula“, aber auch Abenteuer-, Fantasy- oder Science- Fiction-Spiele. Auf dem Vormarsch sind ebenso Esoterik- und Astrologie-Spiele. Da gibt es z.B. die „Reise ins Licht“. Wer sich keinen Psychiater leisten möchte, kann hier für ein paar Mark die Couch mit dem Spielbrett vertauschen. Auf kleinen Kärtchen wird er aufgefordert seine Gefühle darzustellen: „Versuche, Dich mit Deinen Gefühlen kurzzeitig zu identifizieren. Nun führe vor, wie es aussehen kann, wenn Du diese Gefühle unterdrückst.“ Wer schnellere Selbsterkenntnis wünscht, braucht „Astrotime“, das „kommunikative Erwachsenenspiel“. Die Sterne werden bemüht, um sich spielend selbst einzuschätzen.

Mit dem „Liebes-Spiel“ (ab 18) haben die Hersteller dem Safer-Sex die Krone aufgesetzt. Für schlappe 89 D-Mark kriegt man eine schöne Ersatzbefriedigung verpaßt, wenn man die „666 Fragen zum Thema Nr.1“ beantwortet.

In der ehemaligen DDR sind sie noch nicht auf diesen ganzen Firlefanz hereingefallen. Hier steht zur Zeit, wen wundert's, „Monopoly“ an der Spitze der beliebtesten Spiele. Es wird allerdings stark bedrängt von „Mensch ärgere Dich nicht“.

In den USA waren sie uns in Sachen Lebenshilfe durch Spiele schon immer einen Schritt voraus. Da gibt es z.B. „Deathrace“, ein Spiel bei dem der Teilnehmer als Autofahrer soviele Fußgänger wie möglich plattmachen muß. Wer am Schluß die meisten Leichen aufzuweisen hat, ist Sieger. Seit Beginn der Golfkrise sind die Amerikaner ganz scharf auf elektronische Kriegsspiele. „F-15 Strike Eagle“ heißt der neueste Hit. Es geht darum Erdölförderungsanlagen mittels Bombenteppichen aus der Luft auszuschalten, Raketen abzufeuern oder Panzerdivision besonders tödlich einzusetzen. Den Vorwurf ihr Spiel trage zur Verniedlichung von Krieg und Gewalt bei, weisen die Hersteller entrüstet zurück. Schließlich seien auch schon die US-Truppe in Saudi-Arabien beliefert worden, damit sie die Langeweile in der Wüste besser totschlagen können. Ein Sprecher der Herstellerfirma legt Wert auf die Feststellung, daß ihre raffinierten Produkte fast an die Kampfsimulatoren der US-Army heranreichen: „Alles ist so realitätsgetreu, daß sie sich in einen wirklichen Kämpfer verwandeln.“ Karl Wegmann

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