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NGO über Flucht in Gambia„Die Jugend ist weg“

„Action Aid“ ist keine klassische Organisation für Entwicklungshilfe, sondern mischt sich ein und unterstützt Kleinbauern dabei, ihre Interessen zu vertreten.

Hoffnung: Ein junger Mann freut sich über die Abwahl des Präsidenten Jammeh Foto: reuters
Interview von Andrea Stäritz

taz: 14.000 Flüchtlinge aus Gambia bei zwei Millionen Einwohnern im Jahr 2015. Herr Badji, ihre NGO „Action Aid Gambia“ will diesen Trend umkehren, aber warum wollen überhaupt alle weg?

Omar Badji: Migration hat eine jahrhundertelange Tradition. Heute geht es um bezahlte Beschäftigung. Das ist die Triebfeder. Vielen jungen Menschen fehlt eine Ausbildung, mit der sie Arbeit finden können, deswegen suchen sie woanders. Und da es in der Vergangenheit immer wieder Leute gegeben hat, die mit viel Geld aus Europa zurückgekommen sind, und immens zum Wohlstand ihrer Familie beigetragen haben, da sind natürlich alle ganz aufgeregt und wollen sich auch aufmachen.

Wenn man sich in Gambia umschaut, sieht man überall Spuren von den Investitionen der Auswanderer: Häuser, Villen, Autos, Taxis und Busse, die von Familienangehörigen betrieben werden. Das ist eine große Motivation, eine große Zugkraft für die Jugend. Aber es gibt auch Auswanderer, die keine gutbezahlte Arbeit gefunden haben. Die schicken dann Bilder, Selfies, in einer wunderschönen Umgebung, wovon die Leute hier nur träumen können. Die Botschaft ist klar: mir geht es gut, ich habe Arbeit und ich habe so viel Geld. Der Wechselkurs macht viel aus: 100 Euro, 100 Pounds, das ist für uns sehr, sehr viel Geld.

Selbst wenn du nicht wirklich viel verdienst und nur 50 oder 100 Euros schicken kannst, sind die Familien sehr zufrieden. Und diejenigen, die nicht viel beitragen können, die sind wirklich sehr frustriert. Und diese Frustration stärkt die Bereitschaft Risiko einzugehen und sich aufzumachen.

Es heißt, im Norden gibt es, genauso wie im Senegal, ganze Dörfer ohne Männer?

In den abgelegenen Dörfern, die man nur zu Fuß erreichen kann, da finden sich kaum noch junge Männer. Meistens sind es ja die jungen Männer, die weggehen, aber die Mädchen machen sich jetzt auch schon auf. Die Jugend ist weg. Man fragt nach den jungen Leuten, und die Antwort ist: Die sind alle weg! Früher war das eine Gegend mit Rekord-Ernten und jetzt liegt das Land brach. Und zwar hauptsächlich, weil es keine Arbeitskräfte gibt, um das Land zu bestellen. Das ist dann ein Teufelskreis: das Land verödet aufgrund des Klimawandels und niemand ist da, um es gegen die Wüste zu schützen. Die fehlende Bewässerung und Anpflanzung kurbelt noch einmal den Prozess der Erosion an.

Das heißt der Klimawandel forciert Migration?

Im Norden ist das Voranschreiten der Wüste wirklich ein Problem. Der Anteil des unfruchtbaren Bodens wird immer größer. Der Boden wird sandig, ungeeignet für den Ackerbau. Im Großen und Ganzen ist es noch nicht aussichtslos. Es gibt nach wie vor Menschen, die Ackerbau betreiben. An vielen Orten würde der Boden mit ein bisschen Investition wieder etwas hergeben und wir könnten eine gute Ernte einfahren. Aber schon jetzt sagen viele Leute: „Der Boden ist tot“. Das heißt, er ist nicht mehr fruchtbar. Da muss man schon richtig was investieren.

Bild: Andrea Stäritz
Im Interview: Omar Badji

ist Landesdirektor von „Action Aid Gambia“

Es geht ja auch darum, guten Dünger in der richtigen Menge anzuwenden. Das kostet und die Bauern haben dafür kein Geld. Action Aid will die Landwirtschaft von der reinen Subsistenzwirtschaft zur einem gewinnorientierten Geschäft entwickeln, damit wir auch ins Ausland verkaufen können. Das kreiert dann Arbeitsplätze, die die Jugend zum Bleiben bewegt.

Im Moment ist immer noch der Weg durch die Wüste attraktiver, was kann man dagegen tun?

Meine größte Sorge ist, dass die abwandernde Jugend ein großes Vakuum hinterlässt. Selbst wenn wir Geld für Investitionen hätten, finden wir niemanden mehr, der diese Projekte umsetzt. Wenn diese Tendenz in den nächsten zehn, 15, 20 Jahren anhält, werden wir alles verlieren. Dann sind wir von Kindern und Alten abhängig, die wirtschaftlich nicht viel beitragen können.

Dieser „Brain Drain“ oder besser „Labour Drain“ ist ein zentrales Anliegen, da müssen wir gegensteuern. Ich persönlich halte das für das Allerwichtigste. Ich will mich mit der Jugend darüber auseinandersetzen, und eine Perspektive aufbauen, so dass sie hierbleiben und wir das Land gemeinsam aufbauen.

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