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Archiv-Artikel

NEBENSACHEN VON GERHARD DILGER AUS PORTO ALEGRE ÜBER EIN BESONDERES RÖTLICHES GESÖFFWIE EVO MORALES COCA-COLA VOM MARKT VERDRÄNGEN WILL Wunderwaffe aus Koka

Seit Monaten beflügelt ein neues Getränk aus Bolivien die Fantasie von Journalisten und Lesern in aller Welt. Seit vergangener Woche ist es, wenn auch noch in bescheidener Dosis, auf dem Markt zu haben. Endlich könnte damit Coca-Cola, dem Symbol des US-Kulturimperialismus schlechthin, mit einem Energiedrink aus echten Kokablättern eine politisch korrekte Konkurrenz erwachsen, hofft man in linken Zirkeln. Staatschef Evo Morales, ein notorischer Coke-Verächter, versuche mit der „eigenen Cola-Marke“ gar die „Antidrogenpolitik der USA zu untergraben“, unkte die Financial Times Deutschland.

Coca-Colla heißt die vermeintliche Wunderwaffe – als „Collas“ werden in Bolivien die Indígenas aus dem Andenhochland bezeichnet. Nach erfolgreichen Testläufen in den Großstädten Santa Cruz und Cochabamba hat die Firma Ospicoca („Soziale Organisation für die industrielle Kokaverarbeitung“) vergangene Woche mit dem Vertrieb des Getränks begonnen. Die Tagesproduktion der ersten Fabrik in Santa Cruz beläuft sich auf 9.000 Liter. Auch aus den USA, Brasilien und Südkorea werde bereits Interesse bekundet, heißt es.

Mit dem Export dürfte es allerdings Probleme geben: Bisher hat das Internationale Suchtstoffkontrollamt, eine UN-Behörde mit Sitz in Wien, noch immer die Vermarktung von Produkten auf Kokabasis im großen Stil verhindern können. Bemerkenswerte Ausnahme ist Coca-Cola, das trotz wohlfeiler Dementis Jahr für Jahr hunderte von Tonnen Kokablätter aus Peru verwendet, wie es vor Jahren in einem Bericht der peruanischen Antidrogenbehörde nachzulesen war. Ohne echtes Koka, allerdings alkaloidbereinigt, dürfte die Geheimformel aus Atlanta kaum funktionieren.

In Kolumbien untersagten die Behörden auf Druck der Wiener Inspektoren 2007 den Verkauf des Softdrinks Coca-Sek außerhalb von Indígena-Gebieten. In der neuen bolivianischen Verfassung hingegen wird die Kokapflanze zum schützenswerten Kulturerbe erklärt. Für den früheren Kokabauern Morales ist die Verarbeitung der Heilpflanze zu Shampoos, Zahnpasten, Tees oder Medikamenten eine Herzensangelegenheit. Ökoläden in den Städten führen leckere Kokakekse und -bonbons.

Anders als in Kolumbien, wo Coca-Cola erfolglos gegen Coca-Sek geklagt hatte, gibt sich der Multi nun souverän, begrüßt „freies Unternehmertum und gesunden Wettbewerb“. Kein Wunder: In der jetzigen Form hält Coca-Colla leider gar nicht, was sein schillernder Name und der internationale Medienhype versprechen. Das rötliche Gesöff ist vergleichsweise teuer, die Halbliterflasche kostet umgerechnet einen Euro. Vor allem aber schmeckt es pappsüß, weder nach Koka noch nach Cola.