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NATURSCHUTZNatürlich für die Wirtschaft

Die schwarz-grüne Koalition legt ein Gesetz vor, das Bauen im Hafen ohne ökologischen Ausgleich erlaubt und die Klagerechte von Umweltverbänden einschränkt

Langjähriger Streitfall: Das Mühlenberger Loch Bild: dpa

Es dürfte eine hitzige Sitzung werden am Donnerstag im Rathaus. Ein schwarz-grüner Entwurf für ein neues Hamburger Naturschutzgesetz steht auf der Tagesordnung einer öffentlichen Expertenanhörung des Umweltausschusses - und der härteste Kritiker der Novelle ist der ehemalige GAL-Umweltsenator Alexander Porschke. Der Gesetzentwurf sei in Teilen "ein Kniefall vor der Hafenlobby", urteilt Porschke, der jetzt Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) in der Hansestadt ist.

Es gebe eine Reihe bedenklicher Punkte in dem Gesetzentwurf, sagt der 56-Jährige, und mindestens einer sei "schlicht rechtswidrig": das Bewahren des so genannten Hafenprivilegs durch die weitere Einschränkung der "Eingriffsregelung".

Denn in Paragraf 6 erklärt der Entwurf eine lange Reihe von baulichen Maßnahmen im Hafen zu "Nicht-Eingriffen", die folglich auch nicht durch ökologischen Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle wieder gutgemacht werden müssen. Dazu zählen nahezu sämtliche Maßnahmen des Hochwasserschutzes, die Umgestaltung von Gewässern sowie Bau und Erweiterung von Kaianlagen.

Hafen & Natur

Das neue Bundesnaturschutzgesetz wurde am 29. Juli 2009 von der großen Koalition im Bundestag beschlossen. Nach der Föderalismusreform von 2006 hatte der Bund mehr und höhere Kompetenzen in diesem Bereich erhalten.

Die Neuregelung änderte viele Bestimmungen von Ländergesetzen, auch in Hamburg. Im Zweifel gilt nun das Bundesrecht. Sie trat aber erst zum 1. März 2010 in Kraft, um den Ländern Anpassungsgesetze zu ermöglichen.

Dazu zählen Aufträge an die Landesparlamente, bestimmte Fragen neu zu regeln oder nach eigenem Ermessen zu gestalten. Darunter fällt in Hamburg die Frage des Naturschutzes im Hafen.

"Dagegen werden wir sehr wahrscheinlich vor Gericht ziehen", kündigt Porschke an. Solche umweltfeindlichen Sonderregelungen gäbe es in keinem anderen Hafen. Die Hafenerweiterung in Bremerhaven und der Bau des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven würden ökologisch ausgeglichen. Auch in den großen Konkurrenzhäfen Rotterdam (Niederlande) und Antwerpen (Belgien) müssten Natureingriffe kompensiert werden, sagt Porschke.

Genau das sieht der hafenpolitische Sprecher der CDU, Olaf Ohlsen, anders. Es sei ein Erfolg seiner Fraktion, dass "auch zukünftig die Hafenunternehmen nicht durch zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen belastet werden", sagt er. Hamburg stünde im Wettbewerb mit Rotterdam. "Da müssen wir umsichtig agieren."

Unverblümt feiert Ohlsen die Regelungen als Sieg über den grünen Koalitionspartner. Es müsse "dafür gesorgt werden, dass das neue Naturschutzgesetz zum Wohle der Stadt und nicht zu höherem Schaden für unsere Wirtschaft führt".

In diesem Punkt kann die Union sich zumindest auf die oppositionellen Sozialdemokraten verlassen. Die haben bereits einen eigenen Antrag zur "Beibehaltung des Hafenprivilegs" vorgelegt. Denn ökologischer Ersatz würde zu erheblichen Mehrkosten führen, welche "gerade angesichts der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzlage der Stadt nicht zu vertreten" seien.

Kritik übt Porschke auch an den eingeschränkten Befugnissen von Umweltverbänden. Nach dem Gesetzentwurf müssen Naturschutzorganisationen bei geplanten ökologischen Eingriffen zwar angehört werden. Ein Klagerecht gegen die Verzögerung oder Nichtrealisierung von Ausgleichsmaßnahmen sollen sie jedoch nicht haben. "Das müssen wir voranbringen", sagt Porschke. "Hausgemachte Versuche, Umweltrecht zu ignorieren", würden die Umsetzung der Planungen nur verzögern. So sei die geplante Elbvertiefung bereits mehr als zwei Jahre im Verzug, weil der Bund und Hamburg vor der EU mit dem Versuch scheiterten, Naturschutzrecht auszuklammern. Wer schlecht plane, dürfe sich nicht wundern, wenn er zu Nachbesserungen gezwungen würde, so Porschke.

Aber was man nicht in den Koalitionsvertrag hinein schreibe, könne im Nachhinein nicht durchgesetzt werden, hat der Ex-Senator erkannt. Als GAL-Mitglied halte er bei eventuellen Koalitionsverhandlungen nach der Bürgerschaftswahl 2012 diese Punkte "für Themen, die meine Partei verfolgen sollte".

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