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Archiv-Artikel

NACH DEM FROST Verschwenderischer Reichtum und ein elegantes Präzisionswerk

Von Stephan Reinhardt

2010 Silvaner Alte Reben, Zehnthof-Luckert

Der strahlend sonnige Morgen des 4. Mai brachte Licht ins Grauen: 70 bis 80 Prozent der jungen Rebtriebe waren bei Minusgraden erfroren. Wolfgang und Ulrich Luckert vom Zehnthof in Sulzfeld am Main, deren gehaltvolle Weißweine seit einigen Jahren zu den besten in Franken zählen, hat es mit am schlimmsten getroffen. Nur wenige Tage vor dem Frost saß ich auf dem Zehnthof und kostete die 2010er: im großen traditionellen Holzfass ohne Zugabe von Reinzuchthefen zu klassisch trockenen Frankenweinen vergoren und ausgebaut. Der Silvaner Alte Reben, aus dem ältesten und steilsten Stück der Lage „Maustal“, zählt zu den besten Weißweinen, die ich 2011 in dieser Preisklasse probiert habe. Konzentriert und würzig im Duft, von superreifen gelben Trauben, zeigt er sich am Gaumen verschwenderisch reich und saftig, ist zugleich aber straff und mineralisch und sein klarer, salziger Abgang führt in ein komplexes, lang anhaltendes Finale: eine Ikone nicht nur der Luckert’ schen Stilistik, sondern des modernen Frankenweins schlechthin. Und wenn sie nicht erfroren sind, werden die Maustaler Reben im nächsten Jahr 40 Jahre alt. 12,50 Euro über Weinhandlung Suff, Oranienstr. 200, 10999 Berlin, Tel. (0 30) 614 21 48

2009 Spätburgunder Tradition, Weingut R. Fürst

Auch das renommierte Weingut Rudolf Fürst in Bürgstadt bei Miltenberg im westlichen Franken, bekannt vor allem für seine genialen Pinots, hat Frostschäden von 60 Prozent zu beklagen. Die Weine von Paul und Sohn Sebastian Fürst sind ohnehin teuer. Billiger werden sie dieses Jahr also gewiss nicht werden. Doch gerade das „verpflichtet“ zum Kauf des hochfeinen Spätburgunders „Tradition“ aus dem exzellenten Jahrgang 2009. Der im Zementtank vergorene, zu 80 Prozent in kleinen gebrauchten Holzfässern ausgebaute und unfiltriert abgefüllte Wein zeigt eine herrliche feine Beerenfrucht und fasziniert im Mund durch eine seidig-süße Fruchtintensität ebenso wie durch Klarheit und Frische. Ein elegantes Präzisionswerk ist das und in dieser Preisklasse der sicher beste Spätburgunder, den ich je im Glas hatte. Mit Sebastian, der in Burgund gelernt hat und mittlerweile die Rotweine des Elternhauses verantwortet, haben die ohnehin seit mehr als 20 Jahren exzellenten Pinots des Hauses nochmals an Finesse hinzugewonnen. Trotz Frost bietet Franken auch künftig noch erfreuliche Perspektiven. 15,20 Euro bei Wein und Glas, Prinzregentenstr. 2, 10717 Berlin, Tel. (0 30) 235 15 20