N24-Mitarbeiter protestieren: Information als Luxusproblem
Weil der Nachrichtensender der schuldengeplagten ProSiebenSat.1-Media-AG zu teuer ist, soll er zum Doku-Kanal degradiert oder verkauft werden. Die Mitarbeiter protestieren.
Zugegeben: Es fällt mitunter schwer, N24 als echten Nachrichtenkanal ernst zu nehmen, wenn statt aktueller Weltereignisse merkwürdige Dokus laufen. Gestern immerhin musste das ab 13.25 Uhr im Programm ausgewiesene wöchentliche "MM - Männermagazin" der Verleihung des Friedensnobelpreises an US-Präsident Barack Obama weichen.
Doch mit solchen kurzfristigen Programmänderungen und Live-Übertragungen könnte bald Schluss sein. Denn N24 ist dem Mutterkonzern, der ProSiebenSat.1-Media AG, zu teuer und soll entweder zum Doku-Kanal mit Mininachrichtenschnipseln degradiert oder gleich verkauft werden.
"Nachrichten sind vielleicht für das Image bei Politikern wichtig, aber nicht unbedingt bei allen Zuschauern", hatte AG-Vorstandschef Thomas Ebeling vor knapp zwei Wochen per Zeitungsinterview den N24-MitarbeiterInnen kundgetan. Mittlerweile hatte er immerhin für ein Gespräch mit N24-Chef Peter Limbourg und Vertretern des Redakteursausschusses Zeit: Noch sei "nichts entschieden", allerdings sei ihm die Reaktion im Sender "ein bisschen zu noisy", habe Ebeling erklärt, berichten Teilnehmer. Doch da N24 defizitär sei, müsse der schwer von Werbeausfällen geplagte TV-Konzern handeln.
Gerade diese Rechnung des erst vor elf Monaten vom Pharmakonzern Novartis zu ProSiebenSat.1 gewechselten Mediennovizen Ebeling sorgt weiter für lauten Widerstand. "Ebeling geht von falschen Grundlagen aus", sagt Johannes Schmidt vom Betriebsrat, da der Konzern alle Leistungen, die N24 für die anderen Sender der Gruppe erbringe, herausrechne. "Kein Nachrichtensender kann ohne Verankerung im Konzern Gewinn machen", so Schmidt. Außerdem schrieben 2008 alle Sender der Gruppe schwarze Zahlen, N24 machte nach Steuern gut 13 Millionen Euro Gewinn. Allerdings muss die von über 4 Milliarden Euro Schulden geplagte TV-AG weiter dreistellige Millionenbeträge an ihre Eigentümer, die Finanzinvestoren KKR und Permira, sowie für Zinsen abführen - und rutscht so immer tiefer ins Minus.
Die Belegschaft protestiert derzeit gegen die Abwicklung des Senders bei Bundestagsabgeordneten und LandespolitikerInnen. Bei den Anfang 2010 anstehenden Betriebsratswahlen kandidieren bereits über 100 MitarbeiterInnen, weil ihnen das einen besonderen Kündigungsschutz verschafft.
Ebelings verklausulierte Ankündigung im Interview mit der Süddeutschen, bald vielleicht ganz auf Nachrichten im Programm von ProSieben, Sat.1 und Kabel 1 zu verzichten, beschäftigt jetzt auch die Medienpolitik. Ohne Nachrichten würden aus den bisher sogenannten Vollprogrammen Spartenkanäle, was dem Prinzip des dualen Systems aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern widerspricht. Machen kann die Politik derzeit aber wenig: Die Rundfunkgesetze sehen keine Sanktionen vor, falls ein Vollprogramm zur Sparte wird. Doch mehrere Bundesländer - unter anderem Rheinland-Pfalz und NRW - haben angekündigt, im Ernstfall eine Gesetzesänderung anzustreben. "Es geht nicht darum, dass sich der private Rundfunk keine Nachrichten mehr leisten kann", sagt der rheinland-pfälzische Staatssekretär Martin Stadelmaier (SPD). Vielmehr nähmen hier Finanzinvestoren mit ihren überzogenen Renditeerwartungen einen Medienkonzern aus. Er forderte eine Debatte, welchen Beitrag der private Rundfunk zum "Public Value" leisten müsse.
Der Konzern hat immerhin einen konkreten Vorschlag, wie er auch weiterhin nicht auf Nachrichten verzichten müssten: Bei einem Symposium in Düsseldorf forderte ProSiebenSat.1 kürzlich, die Sender zu diesem Zweck doch einfach an der Rundfunkgebühr zu beteiligen.
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