Myanmarprogramm: Tagesreportage der birmesichen JournalistInnen

Dann kam endlich der Hinweis der JournalistInnen, dass es in Berlin aber warm sei.

Die TeilnehmerInnen am Dienstag im taz Pavillon auf dem Dach. Bild: Anja Weber

Freitag bis Sonntag

Spät am Freitagabend ist die zehnköpfige Delegation von JournalistInnen aus Myanmar endlich in Berlin angekommen. Mit warmen Wetter wurden sie empfangen und nur ein Gepäckstück hatte sich auf den langen Weg nach Deutschland verirrt. Bei den sehr heißen 35 Grad kam bei der Gruppe so etwas wie ein Heimatgefühl auf. Bestückt mit Kameras, Tablets und Smartphones blitzten sie sich den Weg durch Berlins Mitte.

Am Samstagmorgen machten sich die JournalistInnen auf den Weg durch eine für sie verhältnismäßig leere Stadt in die taz. Nach einer kurzen Vorstellung der Redakteure Jutta Lietsch, Andreas Lorenz und Sven Hansen, erhielten die TeilnehmerInnen gleich einen Einblick in die Geschichte der taz und der Genossenschaft. Besonders verwunderlich für einige der JournalistInnen ist das Vertrauensverhältnis zwischen den taz Mitarbeitern und den GenossInnen. Dieses genossenschaftliche Konzept ist in Myanmars Medienlandschaft noch weitgehend unbekannt.

Ein Workshop für 10 TeilnehmerInnen für 8 Tage in Berlin kostet ungefähr 30.000 Euro. Das ist viel Geld. Darin enthalten sind Fahrtkosten, Visakosten, Unterbringung, Verpflegung und ein vielfältiges Seminarangebot. Für jede TeilnehmerIn sind das etwa 3.000 Euro. Deshalb wenden wir uns für weitere Spenden an Sie. Alle Spenden sind steuerlich absetzbar. Wir freuen uns über kleine und große Spenden.

Hier können Sie direkt online spenden.

Am Nachmittag wurde das ehemalige Stasi-Untersuchungsgefängnis in Berlin-Hohenschönhausen besucht. Nach einer jahrzehntelangen Militärdiktatur in Myanmar, ist der Umgang mit der eigenen Vergangenheit noch kein großes Thema. Die Gefängnisse, für uns Deutsche Teil der Vergangenheit, sind in Myanmar und für den Arbeitsalltag der JournalistInnen noch Teil ihrer Realität. Die Gruppe stand vor dem Gefängnis-Truck, der die vermeintlichen Staatsfeinde abtransportierte und erzählte, das erst vor kurzen in einem ähnlichen Auto in Myanmar, das mit Werbung für Lebensmittel beklebt war, 35 Studenten auf dem Weg in die Haftanstalt umgekommen sind, weil sie keine Luft mehr bekamen. Der ehemalige Stasitransporter bot stattdessen Platz für 5 Insassen, die zwar in winzigen Zellen teilweise stundenlang ausharren mussten aber zumindest Luft bekamen. Auch diese kleine Geschichte, die hier zur Vergangenheit gehört, ist in Myanmar immer noch Realität. Am Abend wurde beim Welcome Dinner am Potsdamer Platz über den Besuch im Gefängnis diskutiert und als Abschluss die Mall of Berlin entdeckt. Unterschiedlicher können die Eindrücke nicht mehr werden.

Die erste Redaktionssitzung fand am Sonntagmorgen statt. Gemeinsam mit den Redakteuren Jutta Lietsch, Andreas Lorenz und Sven Hansen wurden die in Myanmar verfassten Texte der TeilnehmerInnen besprochen. Die Texte werden Ende Juli in einer Sonderbeilage in der taz veröffentlicht.

Nach einem kurzen Rundgang durch das taz Redaktionsgebäude wurde der Stadtteil Berlin Mitte erlaufen. Bei 38 Grad am Wochenende kam dann endlich der Hinweis der JournalistInnen, dass es heute aber warm sei. Nach dem Tränenpalast, dem Reichstag, dem Tiergarten und dem Kanzleramt verschnauften die JournalistInnen kurz an den Wasserspielen vor dem Kanzleramt.

Zum Abschluss des Tages genossen alle Deutsches Bier und Currywurst mit Pommes im Biergarten Zollpackhof.

Beim Besuch im Auswärtigen Amt Bild: Sophie Richter

Montag und Dienstag

Am Montagmorgen berichtete Andreas Lorenz über die Entwicklungen und Krisen der deutschen Medienlandschaft. Alle TeilnehmerInnen bekamen einen Einblick in die aktuelle Situation und welche Kanäle die Medien nutzen, um die politische Berichterstattung bei Wahlen abzudecken. Besonders interessant war für die JournalistInnen, dass unsere Richter nicht vom Militär berufen werden, so wie es in Myanmar üblich ist.

Nach einem Mittagessen im taz Cafe führte Sebastian Esser, der Chefredakteur von Krautreporter in dessen Online Magazin ein. Wie arbeiten JournalistInnen ohne dem Druck von Werbeeinnahmen ausgesetzt zu sein? Die TeilnehmerInnen hatten viele Fragen und waren begeistert von diesem Projekt. Für die birmesischen JournalistInnen ist dieses Model jedoch noch nicht vorstellbar. Die Idee, dass man nicht nur Texte, Reportagen oder Kommentare verkauft, sondern ein Konzept für Onlinejournalismus, hat viele begeistert.

Der lang ersehnte Ausflug zum Deutschen Bundestag war die Krönung dieses Tages. Die Inschrift am Gebäude mit dem Titel "Dem Deutschen Volke” ist ernst gemeint. Die TeilnehmerInnen durften im Parlament einigen Sitzungen beiwohnen und lauschten gespannt den Übersetzungen des Besucherdienstes. In Myanmar ist es sehr schwer als JournalistIn eine Parlamentssitzung zu verfolgen oder live mitzuerleben. Seit kurzem erst besteht die Möglichkeit via Live-Übertragung aus dem Parlament Informationen zu erhalten.

Danach ging es durch das Brandenburger Tor über den Gendarmenmarkt wieder zurück zur Mall of Berlin. Hier konnten die erschöpften JournalistInnen etwas essen und entspannen.  Und nach einer Pause kann man viel besser shoppen. 

Die Kuppel des Bundestages konnte leider nicht besichtigt werden, da sie wegen der Hitze immer noch gesperrt war. Bild: Sophie Richter

Der Dienstag begann mit einem Seminar von Petra Bornhöft über die nationale und internationale Berichterstattung bei Wahlen und wie Wahlkampfkampanien ablaufen und aufgebaut sind. Das Rollenspiel, das zwei aus der Gruppe als Politiker den Fragen der übrigen JournalistInnen ausweichen, fanden alle wunderbar und mehr als hilfreich.

Am Nachmittag erklärte Felix Franz das Model von Hostwriter. Hostwriter ist ein Non-Profit-Netzwerk für JournalistInnen, deren Ziel es ist, die KollegInnen weltweit zu verbinden.  Natürlich hat er deshalb gleich alle TeilnehmerInnen in das Netzwerk eingeladen. Amüsant ist vor allem, dass es bereits Mitglieder im Netzwerk gibt, die aus und über Myanmar berichten. Teilweise kennen sich die KollegInnen und es begann  ein freudiger Austausch.

Danach ging es für die JournalistInnen zum Rosa-Luxemburg-Platz zu Markus Lindemann vom Autoren(werk). Autoren(werk) wurde im Jahr 2000 gegründet und produziert seither journalistische Videos, vom Einspielfilm bis zur  Dokumentation. Ein bisschen skeptisch sind die TeilnehmerInnen, bei dem Hinweis, dass wenn ein Mitglied des Werkes verklagt wird die Gemeinschaft dafür aufkommt. In Myanmar ist die Rechtslage für JournalistInnen schwer zu durchschauen. Ein Handbuch für JournalistInnen, das von der Regierung ausgegeben wird, soll Aufschluss über Rechte und Pflichten der KollegInnen geben. Die TeinehmerInnen bestätigen, dass dieses theoretische Werk keine Rechtssicherheit bietet und bei der täglichen journalistischen Arbeit keine Bedeutung hat. 

Mittwoch und Donnerstag

...im Bundestag Bild: Sophie Richter

Die BVG zu benutzen meisterte die Gruppe inzwischen wie jeder Berliner. Schnell das Brandenburger Tor am Morgen bewundern und rauf zu Spiegel Online für den ersten Termin des Tages. Eine Einführung in die Wahlkampfberichterstattung von Philip Wittrock gab den JournalistInnen einen Einblick wie die Berichterstattung in Deutschland funktioniert. Die Gruppe war sehr interessiert und fragte Herrn Wittrock regelrecht aus.

Das Mittagessen fand in der Nähe der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum – in der Oranienburger Straße statt. Ein kurzer Besuch zeigte den JournalistInnen wie andere Glaubensrichtungen in Berlin leben.

Der nächste Programmpunkt fand in Berlin-Pankow statt. Gemeinsam mit Petra Bornhöft wurden die TeilnehmerInnen von einem Repräsentanten der Khadija Moschee empfangen. Beim täglichen Gebet beteiligte sich der einzige Muslim der Gruppe. Die Moschee wurde unter starken Protest der Anwohner 2008 eröffnet und versucht seitdem durch aktive Öffentlichkeitsarbeit und Tage der offenen Tür Vorurteile in der Nachbarschaft abzubauen. In Myanmar ist die fehlende Toleranz zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen ein wichtiges Thema. Das Miteinander zwischen verschiedenen Ethnien ist im Land noch nicht etabliert und die JournalistInnen tauschen sich über die Integrationserfahrungen mit den beiden Mitgliedern der Gemeinde aus.

Beim Denkmal für die ermordeten Juden Europas Bild: Sophie Richter

Am Donnerstagmorgen wurde die Gruppe von Kuratoriumsmitglied und Historiker Michael Sontheimer im Hotel abgeholt. Die historische Tour durch Berlin Mitte führte sie zum Checkpoint Charlie über die Wilhelmstraße zum Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Am Nachmittag hatten die JournalistInnen einen Termin beim  Auswärtigen Amt. Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte des Hauses und einem anschließenden Rundgang, sprachen die JournalistInnen mit Vertretern des Auswärtigen Amts über die auswärtige Politik Deutschlands in Myanmar.

Der Tag war aber noch nicht vorbei. Die Diskussionsveranstaltung im taz café bot eine gute Gelegenheit, um sich mit unterschiedlichen Menschen über die derzeitigen ethnischen Spannungen in Myanmar und die Arbeitssituation der JournalistInnen zu unterhalten. Keine Gruppe sprach so offen wie diese Delegation. Die Veranstaltung wurde von Sven Hansen, taz Auslandsredakteur mit langjähriger Erfahrung in Südostasien, moderiert.  Die JournalistInnen erzählten über Ihre Herkunft und wie sich das Leben als JournalistIn in Myanmar entwickelt hat. Außerdem sprachen sie natürlich über die bevorstehenden Wahlen in Myanmar im Herbst 2015 und ihre Einschätzungen und Wünsche für die Zukunft ihres Landes.

Freitag, Samstag und Sonntag

In der Bundesgeschäftsstelle der Bündnis 90/Die Grünen Bild: Sophie Richter

Langsam merkte man der Gruppe die Anstrengungen der letzten Tage an. Die Fülle an Informationen zeigte ihre Spuren. Es ging jedoch noch weiter. Empfangen wurden die JournalistInnen am Freitagmorgen von Julia Jorch, der Pressesprecherin der Bundes 90/ Die Grünen, in der Bundesgeschäftsstelle der Partei. Es gibt bisher keine Partei in Myanmar, die sich dem Umweltschutz annimmt. Die Gruppe bekam einen Eindruck wie Politiker und Pressesprecher mit JournalistInnen umgehen, wie Informationen gesteuert werden und welche Konflikte dabei entstehen können. Kann dabei die Privatsphäre der Beteiligten berücksichtigt werden? Diese Frage diskutierte die Gruppe ausgiebig.

Das Highlight des Tages war der Besuch der Bundespressekonferenz. Diese in der Welt einmalige Institution beeindruckte die JournalistInnen zutiefst. Dass Regierungsmitglieder und Ministerien gegenüber den anwesenden JournalistInnen Frage und Antwort stehen müssen, ist in Myanmar undenkbar. 

Am Nachmittag stand die letzte Redaktionssitzung an und Sven Hansen, Jutta Lietsch und Andreas Lorenz besprachen zusammen mit den JournalistInnen die Artikel, die in der Sonderbeilage der taz veröffentlicht werden sollen. Am Abend besuchte die Gruppe, auf eigene Initiative, die Komische Oper, um sich „Die schöne Helena“ von Jacques Offenbach anzusehen. Die TeilnehmerInnen waren begeistert von der Musik, dem Theater und der Satire.

Der letzte Tag stand ganz im Zeichen der freien Zeitgestaltung.  Die Gruppe teilte sich auf. Einige wollten einkaufen gehen und fuhren daher zur Mall of Berlin und zum Alexanderplatz. Vier TeilnehmerInnen interessierten sich für das Olympiastadium und fuhren mit Andreas Lorenz dorthin, um an einer geführten Tour teilzunehmen. Gemeinsam trafen sich alle beim Abschiedsdinner wieder. Vertreter der taz Panter Stiftung, taz Redakteure und die TeilnehmerInnen  aßen, lachten und tauschten sich weiter aus, bevor es hieß: Abschied nehmen. Denn am Sonntagmorgen ging es früh zum Flughafen Tegel. Zur Überraschung aller: die Koffer der JournalistInnen kamen ohne Extrakosten für Übergewicht ins Flugzeug.