MySpace-Hype um Black Kids: Von Null auf Euphorie

Auf Internetseiten wie MySpace zum nächsten Neo-80er-Hype hochgejazzt, wurde die Band "Black Kids" vor Veröffentlichung ihres Debütalbums wieder fallengelassen.

Noch vor der ersten Platte sind die "Black Kids" schon wieder out. Bild: ap

Wenn eine Platte für Riesenwirbel sorgt, obwohl sie nur aufgreift, was musikalisch eh auf der Straße liegt, ist sie in der Regel von Madonna. Nun sind die Black Kids aus Florida weit vom globalen Superstardom entfernt. Trotzdem wird ihr 80er-Elektro-Pop-Aufwasch in den Medien gerade hoch und runter gereicht. Die Aufmerksamkeit, die den Black Kids gerade zuteil wird, ist aber gerechtfertigt.

Wie an keiner zweiten Platte lässt sich an ihrem Debüt nämlich nachvollziehen, wie Musik und Musikkritik im Internetzeitalter funktionieren. Angefangen hatte alles wie im Arctic-Monkeys-Märchen: Vor kaum zwei Jahren setzten die Black Kids eine MySpace-Seite mit ersten Songs auf, wenige Monate später schossen die Klickzahlen in die Höhe.

Kein Wunder, der Elektropop des Quintetts fügte sich nahtlos in die Zeit ein. Zwar befindet sich an den 80ern geschulter Pop seit längerem im Aufschwung; drumherum hat sich mit Websites wie Popjustice oder Electroqueer eine eigene Blog-Kultur gebildet. Doch der The-Cure-lastige Dreh, den die Black Kids zu bieten hatten, klang frisch genug, um aufhorchen zu lassen. Außerdem sorgte die Band mit dem schwarzen Geschwisterpaar Reggie und Ali Youngblood an Gitarre, Gesang und Keyboards für Abwechslung in einem Genre, in dem sonst weiße Künstler wie Kylie Minogue und Darren Hayes den Ton angeben.

Vor allem aber genügten ihre Songs der Aufmerksamkeitsökonomie von MySpace: Eine Band und ihre Musik müssen sich nach ein-, zweimal Reinhören erschließen, sonst wird weitergeklickt. Die überdrehten Lieder der Black Kids, die von null auf Euphorie in unter 30 Sekunden beschleunigen, passten perfekt zu diesem Konsumverhalten.

Doch der Onlinehype hielt nur kurz. Nachdem die Black Kids im Sommer 2007 ihre ersten größeren Konzerte gaben, kippte die Stimmung in den Blogs. "The Black Kids hype must be stopped", schrieb idolator.com im Oktober 2007. Verblüfft stellte der britische Guardian fest: "Das macht die Black Kids wohl zur ersten Band in der Popgeschichte, die einen Backlash erfuhr, noch bevor sie irgendeine Platte herausgebracht hatten."

Etwa zeitgleich fädelte die Band überhaupt erst ihren Plattenvertrag ein, dessen Ergebnis übernächste Woche erscheint. "Partie Traumatic" klingt haargenau nach einer Band, die zwischen Gründung und Debütalbum keine Zeit für Entwicklung hatte, deren Ideen nur für Singles, nicht aber für die Dramaturgie eines Albums reichen.

Das spricht aber nicht zwingend gegen die Black Kids. Gute Singles bleiben gute Singles - und von denen haben die Black Kids mit "Hurricane Jane" oder "Im not gonna teach your boyfriend how to dance with you" einige. Die Frage ist nur, ob es sinnvoll ist, so etwas noch in das alte Konzept "Album" zu zwängen, von dem man ja immer noch eine abgerundete Werkschau des Künstlers erwartet. Die Black Kids funktionieren aber nur im Hier und Jetzt - warum sollten ihren Lieder nicht ebenso weiter erscheinen? Alle paar Monate eine neue Single auf MySpace, alle paar Jahre eine Best-of-Single-Kollektion.

Dann würde sich auch die Hilflosigkeit der Musikkritik erübrigen: Erschöpft vom Hype entschloss sich Pitchforkmedia, das Indie-Leitmedium im Internet, überhaupt keinen Text mehr zur Black-Kids-Platte zu bringen. Stattdessen zeigten sie ein Foto eines weißen und eines schwarzen Mopses. Darauf die Schrift "Sorry :-/", darüber die niederschmetternde Note 3,3 von 10 Punkten. Die Kritikerkollegen reagierten prompt: Wenn Punktzahlen und Lots-of-Love-Hunde mittlerweile reichten, um Platten zu besprechen, bloggte Sasha Frere-Jones vom New Yorker, "dann können wir jetzt alle nach Hause gehen".

Was soll man auch Neues zum Erscheinen eines Albums schreiben, wenn seine Musik durch MySpace hinlänglich bekannt und die Kritik vorab von Blogs besorgt worden ist? Noch reiben sich neue Hörgewohnheiten an alten Gepflogenheiten wie dem Album-Format oder der termingebundenen Rezension - und das eben nicht produktiv. Solange da nicht neue Regeln ausgehandelt sind, wird es weiter Alben wie "Partie Traumatic" geben. Platten, die so sehr Produkt ihrer Zeit sind, dass sie sich bei Erscheinen schon wieder überholt haben.

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