Mutmaßliche Terrorhelferin Filiz G.: "Dschihad ist keine Lösung"
Die Bundesanwaltschaft fordert zweieinhalb Jahre Haft für Filiz G., Frau des Anführers der Sauerland-Attentäter. Die bereut ihre Taten: "Ich habe meiner Religion geschadet."
BERLIN taz | Im Berliner Prozess gegen die mutmaßliche Terrorunterstützerin Filiz G. hat die Bundesanwaltschaft am Dienstag eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten beantragt. Die Ankläger werfen der 29-jährigen Ehefrau des einstigen Kopfs der Sauerlandgruppe vor, die "Deutschen Taliban Mudschahidin" im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet unterstützt zu haben und um Mitglieder für diese und andere Terrorgruppen geworben zu haben. Filiz G. hat die ihr vorgeworfenen Taten eingeräumt. Ihre Verteidiger forderten am Dienstag in ihrem Plädoyer eine Bewährungsstrafe und die Aufhebung des Haftbefehls.
Filiz G. war mehrere Monate Administratorin des deutschsprachigen Ablegers des Ansar-Netzwerks, eines der wichtigsten Dschihadistenforen - bis sie im Februar 2010 verhaftet wurde. Sie soll in das Forum mehr als 1.000 Beiträge, Kommentare und Videos eingestellt haben, darunter Filme, in denen Kinder zu Märtyrern ausgebildet werden. "Ja, Allah, erniedrige diese Kuffar", hetzte sie einmal gegen die Ungläubigen. "Rotte sie aus, vernichte sie."
Außerdem ließ sie laut Bundesanwaltschaft einem Terroranführer im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet über einen Mittelsmann in der Türkei insgesamt 3.200 Euro zukommen: Dem in Niedersachsen geborenen Ahmet M., der zunächst eine wichtige Rolle innerhalb der "Islamischen Jihad Union" spielte und dann "Emir" der "Deutschen Taliban Mudschahidin" wurde. Das Geld hatte Filiz G. zum Teil über Spendenaufrufe eingesammelt, wofür es im Einzelnen verwendet wurde blieb während des seit November laufenden Prozesses unklar.
Im dschihadistischen Ansar-Forum benutzte Filiz G. den Decknamen "fisebilillah" - auf dem Wege Gottes. Ihr Profil auf Youtube hatte den harmlos klingenden Namen "schokocafe". Dort lud sie aber auch Al-Qaida-Propagandavideos hoch.
Bundesanwalt Volker Brinkmann sagte am Dienstag, Filiz G. sei eine "fanatische Kämpferin" gewesen, die jedes Mittel legitimiert habe, das zur Vernichtung der verhassten Ungläubigen führe - inklusive Selbstmordattentaten. Von dieser Gesinnung sei allerdings heute nichts mehr zu erkennen, hielt Brinkmann ihr zugute. Sie sei offensichtlich nicht mehr dieselbe Person wie zum Zeitpunkt ihrer Festnahme. "Die Haft hat ihr insoweit gutgetan", sagte er.
Positiv bewertete Bundesanwalt Brinkmann auch das weitreichende Geständnis der 29-jährigen Muslima, die in dem seit November laufenden Prozess auch gegen ihren Mitangeklagten Alican T. ausgesagt hatte. Das Verfahren gegen den 21-jährigen mutmaßlichen Terrorhelfer wurde vergangene Woche abgetrennt und wird vermutlich noch bis Mitte April weitergehen.
Filiz G.s Anwalt versuchte am Dienstag in seinem Plädoyer darzustellen, was zur Radikalisierung ihrer Mandantin geführt haben könnte. Nach der Verhaftung ihres Ehemanns Fritz G. im September 2007 - der später für den vereitelten Anschlag zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde - habe sie alleine dagestanden. Selbst die eigene Familie habe sie nicht mehr unterstützt. Während sie in der realen Welt isoliert gewesen sei, so der Verteidiger, habe sie in der virtuellen Welt Anerkennung gefunden.
Filiz G. selbst zeigte sich in ihrem Schlusswort am Dienstag reuig. Sie habe sich mitreißen lassen und irgendwann nur noch in der Kategorie "Muslim gegen Nicht-Muslim" gedacht. Erst in Haft habe sie gemerkt, wie weit sie gegangen sei und wie schwerwiegend ihre Taten waren. Damit habe sie nicht nur sich selbst geschadet, sondern auch ihrer Religion, dem Islam. "Dschihad ist keine Lösung", sagte sie.
Das Urteil gegen Filiz G. soll am 9. März gefällt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Habeck wirbt um Fachkräfte in Kenia
Gute Jobs, schlechtes Wetter
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style