: Mutlangen–Richter ausmanövriert
■ Ellwanger Landgericht umgeht die Geschäftsordnung / Verfahren gegen Richter, die blockierten, wird einem anderen Amtsrichter in Schwäbisch–Gmünd zugeteilt
Von Werner Jany
Schwäbisch Gmünd (taz) - Hamburger Amtsrichter werfen dem Landgericht Ellwangen eine Manipulation der Zuständigkeit vor. Die betroffenen Amtsrichter haben sich im Januar dieses Jahres an der „Richterblockade“ vor dem Pershing II–Depot in Mutlangen beteiligt und wurden dabei festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Ellwangen erließ einen Strafbefehl, der vor dem Amtsgericht in Schwäbisch Gmünd verhandelt werden sollte. Dort verurteilen bei Blockadeprozessen in der Regel sechs Richter, ein siebter, Wolfgang Krummhard, spricht frei. Welcher der sieben Richter die Prozesse zugeteilt bekommt, hängt vom Anfangsbuchstaben des Familiennamens der Angeklagten ab. So wurden drei der Hamburger Juristen Richter Krummhard zugeordnet. Der weigerte sich, das Verfahren zu eröffnen, da ein Freispruch zu erwarten sei. Gegen diesen Beschluß Krummhards legte die Staatsanwaltschaft Ellwangen Widerspruch ein. Über diesen Widerspruch mußte die Große Strafkammer am Landgericht in Ellwangen entscheiden. Diese Strafkammer hat in den bisherigen Berufungsverfahren die erstinstanzlichen Verurteilungen des Gmünder Amtsgerichts im Tenor bestätigt. So verwunderte es dann auch nicht, daß das Landgericht den Beschluß von Richter Krummhard verwarf. Das Verfahren gegen die „Blockaderichter“ muß auf Anordnung der Strafkammer eröffnet werden. Soweit bewegt sich das Ellwanger Gericht noch im Rahmen juristisch abgesicherten Vorgehens. In der Aufforderung zur Eröffnung des Verfahrens legt das Landgericht allerdings fest, daß dieses nicht durch Richter Krummhard verhandelt werden solle, da nicht erwartet werden könne, daß der Richter die Rechtsauffassung des Landgerichts entsprechend würdigt. Hierin sehen die Betroffenen den Versuch der „Zuständigkeitsmanipulation“. Rein rechtlich sei die Zurückweisung an einen anderen Richter nur dann vorgesehen, wenn „besondere Sachgründe“ vorliegen. Solche Gründe würden aber in dem Ellwanger Beschluß nicht angeführt, sondern lediglich eine „Rechtsauffassung“. Die Betroffenen erwägen deshalb Schritte gegen den Spruch der Ellwanger Kammer. Verschiedene Juristen sehen in der Ellwanger Entscheidung einen Versuch, Amtsrichter Krummhard Blockadeverhandlungen aus der Hand zu nehmen, ihn „kaltzustellen“, wie es ein Beteiligter ausdrückt. Krummhard hatte sich in den ersten Prozessen an die „Gmünder Linie“ gehalten, wonach ein Angeklagter für eine Fortsetzung auf Seite 2 Blockade mit 20 Tagessätzen bestraft wird. Als dann das Bundesverfassungsgericht über Nötigungsverfahren zu entscheiden hatte, setzte Krummhard seine Prozesse bis zu dem BVG–Urteil aus. Als die Karlsruher Richter im November letzten Jahres sich nicht darüber einigen konnten, ob und unter welchen Umständen Sitzblockaden als Nötigung gemäß § 240 Strafgesetzbuch zu verurteilen seien, änderte Krummhard seine Praxis und sprach von da an Blockierer frei. Krummhard kann sich dabei nicht nur auf die vier Verfassungsrichter berufen, die eine Verletzung des „Analogieverbots“ sehen, wenn Gerichte „die Gewaltalternative des § 240 StGB auf Sitzdemonstrationen erstrecken“, sondern fühlt sich im Einklang mit allen acht Verfassungsrichtern. Danach ist von einer Rechtswidrigkeit der Sitzdemonstrationen nicht in jedem Fall auszugehen. Zu prüfen sei in jedem Einzelfall die Motivation der Angeklagten. Bei Vorliegen entsprechender Motive spricht Krummhard seither frei, da er in solchen Fällen in Sitzdemos kein „verwerfliches“ Handeln sieht.
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