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Musterprozess um Festanstellung„Vorübergehend“ darf Jahre dauern

Vier Jahre „vorübergehend“ beschäftigt? Hat man dann einen Anspruch auf Festanstellung? Nein, urteilte nun das Berliner Landesarbeitsgericht.

Ist diese Krankenschwester nur „ausgeliehen“? Bild: dapd

BERLIN taz | Auch nach vier Jahren auf dem gleichen Arbeitsplatz hat eine Leiharbeiterin keinen Anspruch auf eine reguläre Festanstellung im Entleihbetrieb. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Dienstag entschieden.

Geklagt hatte Krankenschwester Sandra Kersten. Sie arbeitet seit vier Jahren ununterbrochen auf der gleichen Stelle in der Asklepios-Klinik in der Stadt Brandenburg. Dafür erhält sie rund 250 Euro netto im Monat weniger als ihre KollegInnen, die direkt von der Klinik beschäftigt werden. Kersten bekommt für ihre 40-Stunden-Woche 1.600 Euro netto im Monat.

Sie verklagte mit Unterstützung der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di den Klinikkonzern und die Verleihfirma Gfb Medi auf eine Festanstellung. Für Ver.di ist der Streit um das Wort „vorübergehend“ ein Musterprozess.

2011, als die Bundesregierung eine europäische Richtlinie über Leiharbeit umsetzte, schrieb sie den Satz „die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend“ in das nationale Gesetz. Ver.di und Kersten streben nun eine grundsätzliche Klärung des schwammigen Begriffs an, über den in der juristischen Fachwelt gestritten wird.

Auch das Landesarbeitsgericht spricht davon, dass im Gesetz „nicht näher geregelt ist, wann ein vorübergehender Einsatz anzunehmen ist“. Im konkreten Fall ließ das Gericht aber offen, ob es sich „um eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung“ handle. Doch selbst wenn, habe der Gesetzgeber nicht die Rechtsfolge vorgesehen, die Kersten per Klage erzwingen will: ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis direkt mit der Klinik.

Kersten will nun bis vor das Bundesarbeitsgericht ziehen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision vor der höchsten arbeitsgerichtlichen Instanz zugelassen.

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4 Kommentare

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  • M
    menschenfreund

    Was muß das schön sein, im warmen Büro, keine Aussicht auf Arbeitsmangel, das üppige Gehalt kommt regelmäßig nebst Sonderzahlungen, hinreichend Urlaub, für "angemessene Pension ist gesogrt und das Recht ist man selbst - was wollen da die kleinen A... ä Leute.

  • TS
    Tim Sroka

    Hat die Dame wirklich gedacht, sie könnte gegen den Staat und seine Ausbeuter ankommen? Mein herzliches Beileid zu so viel Naivität...

  • A
    Affengeil

    Einfach diesen Satz bei Google eingeben: ""Nun richten die Kliniken und die ZAV ihre Hoffnungen auf Asien. Gemessen an chinesischen Einkommen sind die für Pflegekräfte in Deutschland nämlich üppig."

    Die Chinesen bekommen direkt unbefristete Arbeitsverträge.

    Auch sehr gut ist eine Meldung der letzten Tage:

    "Deutschland importiert portugiesische Krankenschwestern"

    Als Chinese oder Portugiese wäre ihr das nicht passiert...

     

    Willkommen in der Bananenrepublik.

  • A
    anke

    Nun ja. Auch das Zeitalter der Dinosaurier war, genau genommen, nur ein vorübergehendes. Allerdings eins, das rund 170 Millionen Jahre gedauert hat. Wenn das Bundesarbeitsgericht in ähnlichen Dimensionen denkt, können die Leiharbeiter in aller Ruhe aussterben, bevor sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit kriegen.