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Muss Bio billiger werden? (2)Keine Zweiklassengesellschaft

Kommentar von Gregor Fornol

Viele Menschen können sich nicht leisten, regelmäßig Bio-Produkte zu kaufen. Bio muss für jeden bezahlbar sein. Ohne Lifestyle-Schnickschnack wäre das auch möglich.

Bild: privat

GREGOR FORNOL ist Geschäftsführer der Berliner Biokette McBIO. Ihr Ziel heißt: Bio für alle!

War das eine schöne Zeit, vor 30 Jahren, als sich ein paar Unentwegte früh morgens auf den Weg zu landwirtschaftlichen Betrieben machten, um für ihre Ökos, auch Kunden genannt, saubere Äpfel und Salate, Gerste und Dinkel zu kaufen. Diese wurden anschließend liebevoll verarbeitet und als Bio an eine kleine Fangemeinde in den Hinterhöfen der Städte verkauft.

Öko war zu jener Zeit weder in noch out, sondern einfach nur etwas für Vollblutvegetarier und Insider, die ihre Familien vor den unbarmherzigen Angriffen der Fastfood-Industrie schützen wollten. Dieser Personenkreis musste schon damals das Haushaltsbudget stärker strapazieren und daran hat sich bis heute nichts geändert. Warum eigentlich? Bio hat mittlerweile einen Marktanteil von rund 4 Prozent am gesamten Lebensmittelmarkt. Das Bio-Angebot ist auf 40.000 Produkte angewachsen. Trotzdem gibt es offensichtlich zu viele Menschen, die es sich nicht leisten können, regelmäßig biologisch erzeugte Nahrungsmittel zu kaufen.

Die Händler sind mittlerweile aus den Hinterhöfen an die Flaniermeilen gezogen und bieten Öko-Lifestyle pur. Die Ladenausstattung, die Atmosphäre und auch die Produkte - alles wurde auf schick getrimmt. Das kostet sehr viel Geld, was die Kunden bezahlen müssen. Ist es ihnen das denn auch wirklich wert? Man kann auf diesen Schnickschnack aber auch verzichten und seinen Kunden eine preiswerte Grundversorgung bieten, die sich jeder leisten kann.

Gerade Familien und auch Alleinerziehende mit Kindern würden gern mehr Bio kaufen würden - wenn es denn für sie bezahlbar wäre. Hier muss dringend gegengesteuert werden. Die gesundheitlichen Probleme der Kinder verlagern sich in atemberaubenden Tempo nach vorn. Sie beginnen nicht erst wenn sie in die Pubertät kommen, sondern teilweise sogar schon im Säuglingsalter. Haben Sie schon mal ein Neugeborenes mit Neurodermitis gesehen? Die kleinen Würmchen können sich nicht kratzen. Sie müssen oft mit Cremes versorgt werden, deren Nebenwirkungen sich noch auf die Gesundheit als Erwachsener niederschlagen.

Große Probleme bereiten auch die zunehmenden Umweltschädigungen. Es kommt doch nicht von ungefähr, dass in den Siebzigerjahren nur etwa jedes siebte Kind einmal wöchentlich über Kopfschmerzen klagte. Heute ist es bereits jedes zweite. Daran ist nicht immer nur die Globalisierung schuld, sondern die Probleme beginnen im Kinderzimmer - beim eigenen Fernseher, Laptop, Handy, iPod, Gameboy oder der X-Box.

Doch dort, wo die Ernährung der Kinder höchste Priorität genießen sollte, zeigen sich gravierende Probleme. Viele Kitas haben heute kaum mehr als einen Euro pro Kind und Tag zur Verfügung. Der Wunsch der Eltern nach zusätzlicher Biokost scheint hier wie die Frage nach der endgültigen Versöhnung von Kölnern und Düsseldorfern. Zahlreiche Eltern helfen den Kitas, indem sie privat die zusätzlichen Mittel beisteuern. Doch ein großer Teil der Eltern kann diesem Wunsch nicht folgen - weil Bio einfach zu teuer ist und sie die Mittel schlicht nicht beisteuern können.

Wollen wir dieser Problemwelle tatenlos zusehen? Jeder von uns wird diese Auswirkungen zu spüren bekommen, ob er will oder nicht. Wir haben heute die dicksten Kinder in ganz Europa. Etliche dieser Kinder müssen bereits in Spezialkliniken behandelt werden. Diese Kosten werden in Form von Krankenkassenbeiträgen auf die Gesellschaft abgewälzt und machen uns so von Zuschauern zu Betroffenen. Wenn man Menschen fragt, was sie sich wünschen, dann hört man unisono: "Hauptsache, gesund." Doch, bitte schön, wo soll die Gesundheit herkommen, wenn sich eine Vielzahl von uns die einfachsten Dinge, nämlich saubere Lebensmittel, nicht leisten kann? Früher, vor 30 Jahren, kam überall das Gleiche auf den Tisch. Es gab keine Zweiklassengesellschaft, wenn man am Tisch saß. Heute ist das anders. Da wird die Freundin mit Stolz darauf hingewiesen, dass sie gerade Biobutter aufs Brot streicht. Und sie möge doch bitte den guten Biokäse reichlich auflegen. Der sei doch so gesund. Recht hat sie. Aber bitte für jeden.

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2 Kommentare

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  • SK
    Susanne Keuter

    Qualität hat eben ihren Preis. Und da muss man Prioritäten setzen. Es ist durchaus möglich von ALGII zu leben und den größten Teil der Nahrungsmittel im Bioladen zu kaufen. Man muss dafür natürlich auf andere Dinge verzichten. Außerdem gibt es ja bereits Möglichkeiten, Bio-Lebensmittel günstiger als im Laden zu erstehen, wie beispielsweise Food-Coops oder Biokisten, die direkt vom Bauern geliefert werden. Geld ist nicht immer ein Argument. Oft fehlt das Engagement und Interesse, wirklich alternativ einzukaufen.

    Des weiteren wirft Herr Fornol Einiges in einen Topf, um sein Mc-Konzept zu verteidigen. Neurodermitis beispielsweise hat nur sekundär mit der Ernährung zu tun, ebenso Kopfschmerzen. Ursache dieser und vieler anderer Krankheiten ist hauptsächlich der Stress in der heutigen Mc-Gesellschaft.

  • B
    Biobauer

    Gute zwanzig Jahre ist es her, das mutige langhaarige Latzhosenträger im Morgengrauen in vom Staatsschutz überwachte Hinterhöfe schlichen um die neueste Taz-Ausgabe zu erstehen und sie in unter ihrem Wollpulli versteckt in die heimische Kommune zu tragen, wo sie unter großem Hallo gelesen wurde. Seit dem hat sich vieles geändert, inzwischen hat die Taz über 260 000 Leser weltweit, es gibt sie an Kiosken und Tankstellen bundesweit, sogar in Supermärkten. Die Taz hat einen eigenen Büro-Tower mit Dachterasse und einem auf schick getrimmtem Café im Erdgeschoß wo die Redakteure Latte Machiato trinken und von der letzten Testfahrt mit dem neuen Porsche träumen. Dazu gibt es einen neuen auf schick getrimmten Internetauftritt. Dieser Luxus kostet natürlich. Geld, was die Leser bezahlen müssen. Ist es ihnen das denn auch wirklich wert? Man kann auf diesen Schnickschnack aber auch verzichten und seinen Lesern eine preiswerte Grundversorgung bieten, die sich jeder leisten kann.

     

    Gerade Familien und auch Alleinerziehende mit Kindern würden gern öfters die Taz lesen - wenn es denn für sie bezahlbar wäre. Hier muss dringend gegengesteuert werden. Die gesundheitlichen Probleme der Kinder verlagern sich in atemberaubenden Tempo nach vorn. Sie beginnen nicht erst wenn sie in die Pubertät kommen, sondern teilweise sogar schon im Säuglingsalter. Haben Sie schon mal ein Neugeborenes gesehen dem am Frühstückstisch statt des vertrauensspendenden Gesichts der Mutter die Rückseite der Bildzeitung entgegenprangt ? Die kleinen Würmchen können sich nicht wehren. Ungefiltert dringen die sexistischen Bilder in ihre unschuldigen Gehirne. Aufgrund der gefährlich hirnerweichenden Berichte in konventioneller Frühstückslektüre entwickeln diese Kinder noch vor der Pubertät eine regelrechte Panik vor längeren Texten, und können als Erwachsenen oft nur noch große Überschriften lesen. Die Ergebnisse der Pisa-Studie zeigen das verheerende Ausmaß der Folgen des Konsums konventionellen Zeitungen.

     

    Wollen wir dieser Problemwelle tatenlos zusehen? Jeder von uns wird diese Auswirkungen zu spüren bekommen, ob er will oder nicht. Der Niedergang des Wirtschaftsstandortes Deutschland aufgrund fehlender gebildeter Mitarbeiter wird uns alle treffen. Deshalb muss die Taz billiger werden, damit alle Menschen sich eine gute Zeitungslektüre leisten können ! Taz für alle !