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Muslimischer FeminismusReine Auslegungssache

Sie sind gläubige Musliminnen, die ihre Forderung nach Gleichberechtigung aus der Religion ableiten – und Anerkennung fordern.

Selbstbewusst: Junge Musliminnen. Bild: dpa

Wenn Nafisa etwas sagte, dann hatte ihr Wort Gewicht. Die Urenkelin des Propheten Mohamed war eine berühmte Korangelehrte, die aktiv an den gesellschaftlichen Debatten ihrer Zeit teilnahm. Wie viele andere herausragende Frauen aus der frühen islamischen Geschichte ist Nafisa bint Al-Hasan ein Symbol dafür, dass eine Marginalisierung von Frauen in theologischen Diskussionen nicht schon immer selbstverständlich war.

Um das Jahr 800 hat Nafisa in Kairo Männer und Frauen unterrichtet - die Begründer zwei der vier islamischen Rechtsschulen sollen bei ihr gelernt haben. Es ist also sehr passend, dass einer der derzeit wohl bedeutendsten Versuche gläubiger Musliminnen in Deutschland, sich per Internet in Debatten über Frauen und den Islam einzumischen, nach Nafisa benannt ist.

"Sie inspiriert uns durch ihre Teilhabe am öffentlichen Diskurs", sagt die Ethnologin Nina Mühe. Gemeinsam mit zwei Freundinnen - alle sind sie gläubige Musliminnen und tragen Kopftuch - betreibt sie das Blog www.nafisa.de. "Es geht uns darum, aus der frühen islamischen Geschichte und den islamischen Quellen heraus eine Geschlechtergerechtigkeit zu ziehen, die dann später sehr überdeckt wurde", sagt Mühe.

Ziel des Blogs ist es auch, an den gesamtgesellschaftlichen Diskussionen über den Islam teilzunehmen, die allzu oft ohne gläubige Musliminnen geführt und stattdessen von IslamkritikerInnen dominiert werden. Probleme wie Zwangsehen oder häusliche Gewalt thematisieren die Bloggerinnen regelmäßig und machen gleichzeitig klar, dass sie ihrer Lesart der Quellen nach dem Islam widersprechen.

Der Mord an Marwa El Sherbini, die im Dresdener Landgericht aus "Hass auf Muslime" getötet wurde, war ein großes Thema. Ebenso wie die Diskriminierung von kopftuchtragenden Frauen. Und so richten sich die Einträge mal an die muslimische Community, mal an die Gesamtgesellschaft.

Wie viele Musliminnen es in Deutschland gibt, die ihr Engagement für Gleichberechtigung religiös begründen, ist nicht wissenschaftlich erfasst. "Der islamische Feminismus ist eine weltweite diskursive Bewegung", sagt die Südasienwissenschaftlerin Nadja-Christina Schneider von der Berliner Humboldt-Universität, "aber keine geschlossene Bewegung ganz bestimmter Organisationen und auch keine Ideologie."

Klar ist: "Bei weitem nicht jede erklärte muslimische Feministin begründet ihre Forderung nach Gleichstellung religiös." Die heftigste Kritik komme oft gerade von Frauen, die sich als "säkular" oder "religionskritisch" verstehen und nicht glauben, dass ein "islamischer Feminismus" möglich ist. "Das ist ein Konflikt zwischen säkularem und religiösem Lager, der nicht nur im Islam besteht", sagt Schneider. Die Denkrichtung ist zwangsläufig umgekehrt.

Während sich feministische Islamkritikerinnen mit patriarchalischen Anteilen in der Auslegung der Religion beschäftigen, fragen sich religiöse Feministinnen, wie man die Religion so interpretieren kann, dass sie Geschlechtergerechtigkeit herstellt - auch unter den veränderten Lebensbedingungen seit Entstehung des Islams. Am deutlichsten auf feministische Diskurse bezieht sich in Deutschland das Zentrum für Islamische Frauenforschung und -förderung (ZIF) in Köln, das Islamhermeneutik aus geschlechtergerechter Perspektive betreibt.

Zum stark diskutierten Koranvers 4:34 hat das Zentrum eine ausführliche Analyse herausgegeben, die zu dem Schluss kommt, dass sich aus dieser Stelle kein Züchtigungsrecht des Ehemannes ableiten lässt. Auch stehen in der ZIF-Übersetzung dieser Stelle die Männer den Frauen nicht "vor", sondern sie stehen für sie "ein", die Frauen sind nicht "gehorsam" wie in anderen Übersetzungen, sondern - Gott gegenüber - "ergeben".

Neben der theoretischen Arbeit bietet das ZIF Beratungen und "Selbstbehauptungstrainings" für Mädchen an.

Auch im Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen (BFmF) in Köln verwenden die MitarbeiterInnen mitunter Argumente aus dem Islam für Gleichberechtigung. "Wenn ein Mensch religiös ist, kann man ihn darüber sehr gut erreichen", sagt Birsen Ürek, die Leiterin des Frauenbildungswerks im BFmF. Etwa mit Quellen, die nahelegen, dass häusliche Gewalt und Zwangsverheiratung nicht mit dem Islam vereinbar sind.

Gläubige Frauen ließen sich durch den Bezug auf die Religion stärken. Es sei bei der Betrachtung der Quellen deutlich, dass der Islam in seiner Entstehungszeit eine Verbesserung für Frauen angestrebt habe, sagt Ürek. "Zum Beispiel kann man darauf hinweisen, dass der Islam die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen auch schon vor 1.400 Jahren thematisiert hat."

Das "Aktionsbündnis muslimischer Frauen" wurde vor zwei Jahren gegründet und ist ein eingetragener Verein. Die Frauen, die dort aktiv sind, stammen zum größten Teil einerseits aus muslimischen Frauenzentren wie ZIF, BFmF oder Buschra in München, andererseits aus den islamischen Verbänden, also den Zusammenschlüssen der Moscheegemeinden.

Natürlich sei es eine größere Herausforderung, in eher männlich dominierten Gemeinden oder Verbänden mit weiblichen Sichtweisen durchzukommen, als diese in reinen Frauengruppen zu besprechen, sagt die Arabistin Silvia Horsch, die gemeinsam mit Mühe auf www.nafisa.de bloggt und die Internetseite www.al-sakina.de betreibt. "Manchmal hat man den Eindruck, Frauen werden in religiösen Diskussionen weniger ernst genommen." Deshalb müsse man eben "diskutieren, diskutieren, diskutieren".

In ihrer eigenen Gemeinde sei etwa nach langer Diskussion entschieden worden, dass Männer und Frauen denselben Gebetsraum nutzen. Und Horsch erzählt, dass sie eine Zeit lang in einer Gemeinde aktiv war, in der eine Frauenquote für den Vorstand eingeführt und nach langen Debatten festgelegt wurde, dass eine Frau auch Vorstandsvorsitzende sein könne.

Die praktischen Hindernisse auf dem Weg zu Gleichberechtigung sind auch aus nichtmuslimischen Zusammenhängen hinlänglich bekannt. Doch wo stößt der "Islamische Feminismus" theologisch an seine Grenzen? Was ist, wenn etwa sehr klar formuliert ist, dass die Erbteile für Männer und Frauen unterschiedlich hoch sein sollen?

Die unterschiedliche Aufteilung der Erbteile basiere auf einem Familienmodell, in dem der Mann alleine für die finanzielle Versorgung der Familie verantwortlich ist, sagt Horsch. In Familien, in denen Frauen finanziell dieselben Belastungen haben, könne es eine Lösung sein, Ausgleichszahlungen zu vereinbaren, meint sie. Allerdings bestehen nicht alle Musliminnen, die sich für Frauenrechte einsetzen, auf solchen Übertragungen religiöser Vorgaben in die aktuelle Lebenssituation. Manche sprechen statt von "Gleichberechtigung" eher von einer "Gleichwertigkeit" der Geschlechter.

Auf www.nafisa.de fordern die Bloggerinnen an vielen Stellen Respekt dafür, dass manche Frauen sich eben für "andere Lebensmodelle" entscheiden. In der feministischen Szene in Deutschland ist die Diskussionsbereitschaft hierfür äußerst gering, zu einem großen Teil wohl aus Angst, hinter bereits errungen geglaubte Standards zurückzufallen. Die Religionspädagogin Lamya Kaddor, die sich selbst als "liberale Muslimin" bezeichnet, hält die Begründung, dass sich die Gesellschaften damals und heute unterscheiden, für sehr wichtig. "Wir müssen uns immer fragen, ob Gott das heute in dieser Gesellschaft genauso sagen würde", sagt Kaddor.

Etwa habe es sich beim Kopftuch ursprünglich um ein religiöses Gebot gehandelt, weil es im Kontext der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen der Text offenbart wurde, eine "Schutzfunktion" erfüllt habe. In der heutigen deutschen Gesellschaft könne diese Funktion eher ein funktionierender Rechtsstaat erfüllen, daher sei das Kopftuch "für diesen Zweck schon einmal nicht mehr notwendig". Zudem wirkten Haare an sich nicht mehr "erotisierend". Dennoch macht die gläubige Muslimin deutlich: "Ich bin nicht gegen das Kopftuch." Sie wolle in der muslimischen Community für ihre Entscheidung respektiert werden, es nicht zu tragen, und respektiere die Entscheidung anderer, es zu tragen. Dass Kopftuchträgerinnen etwa bei der Jobsuche diskriminiert würden, kritisiere sie heftig.

Für "Frauenaktivistinnen", die sich auf den Islam beziehen, sei es ganz typisch, sich neben der eigenen Community auch stark an die Gesamtgesellschaft zu richten, sagt Riem Spielhaus, Islamwissenschaftlerin an der Humboldt-Universität, umso mehr, wenn sie ein Kopftuch tragen. "Denn von beiden Adressaten - von muslimischen Gemeinschaften und von der deutschen Gesellschaft - wird diesen Frauen die religiöse Autorität abgesprochen." Auch die Gesellschaft spreche ihnen "ihre Handlungsmacht" ab, nach dem Motto, wer ein Kopftuch trägt, könne gar nicht selbstbestimmt sein. Sie würden entweder als "Opfer" oder als "Handlangerinnen" betrachtet, sagt Spielhaus.

Ein Zeichen der Anerkennung wäre es, wenn die Öffentlichkeit nicht nur männliche Verbandsvertreter und Islamkritikerinnen, sondern auch gläubige Musliminnen als gleichberechtigte Ansprechpartnerinnen wahrnehmen würde. Bei der vergangenen Islamkonferenz waren sie nicht prominent vertreten. Mit der Gründung des Aktionsbündnisses muslimischer Frauen ist die Hoffnung verbunden, das für die nächste Islamkonferenz - und nicht nur dort - zu ändern.

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14 Kommentare

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  • PP
    Peter Panne

    Ich dachte, die ganzen Islamhasser treiben sich auf welt.de und so rum. Aber dass man diese Traumtänzer auch hier findet, ist echt lächerlich. Geht doch lieber zu PI und lasst da euern Senf ab. Ich stimme Herrn Kuminall voll und ganz zu, schön dass die taz endlich auch mal diese Gruppe von Muslimas berichtet. Danke Frau Schädler, ich finde Ihren Artikel sehr lesenswert. Und lassen Sie sich nicht von den paar "Islamkennern" hier beeinflussen, die müssen ihren Hass verbreiten, die haben sonst nichts zu tun und denen hört sonst eben niemand zu...

     

    Ach so, liebe Islamhasser, damit Ihr nicht zu kurz kommt, und nicht immer auf einen passenden Artikel in der taz warten müssten, um Euch aufzuregen, hier zwei aktuelle weiterführende Buchtipps: Kay Sokolowsky: "Feindbild Moslem" und Thorsten Gerald Schneiders: "Islamfeindlichkeit, wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen."

  • DM
    Dr. Moss

    Liebe Taz,

     

    leider tummeln sich auch hier im Kommentarbereich viele PI-Hetzer und haben außer haltlosen Diffamierungen und üblen Beleidigungen der muslimisch-gläubigen Menschen keine vernünftigen Argumente hervorzubringen.

    Was dem Fass den Boden ausschlägt sind die unverholenen Ankündigungen weiterhin Menschen muslimischen Glaubens in diesem Land zu diskriminieren.

     

    Faschisten werfen einer Weltreligion dem Islam (Entstehungszeit vor 1400 Jahren !!!)Faschismus vor. Der Bock hat sich selbst zum Gärtner gemacht.

  • OR
    Oliver Ruebenacker

    Vers 4:34 gilt ja nicht für alle Frauen und Männer, sondern nur in einer bestimmten Situation. Ergibt sich diesselbe Situation mit vertauschten Rollen, dann gilt entsprechendes eben umgekehrt. Vers 4:35 macht klar, dass Frau und Mann im Konfliktfall dasselbe Gewicht haben.

  • L
    Latifa

    Es ist doch völlig unerheblich, ob es heißt: "schlagen", "nahe legen, das Verhalten zu ändern", oder sonst irgendetwas. Tatsache ist doch, dass der Mann die Frau irgendwie überzeugen muss, da diese nicht in der Lage ist, das Richtige zu tun/sagen/entscheiden/...

    Hier von Gleichberechtigung und Selbstvertrauen von einigen extremistischen Musliminen zu sprechen ist doch absurd!

  • OR
    Oliver Ruebenacker

    Andere Auslegung von 4:34 ist einfach: ein Blick in ein arabisches Wörterbuch wird schnell offenbaren, dass "schlagen" nicht die primäre Bedeutung von "daraba" ist.

  • MA
    Mounir Azzaoui

    Das Foto verdirbt den Appetit aufs Lesen. Das Bild zeigt drei MuslimInnen, insgesamt ist nur ein halbes Gesicht zu sehen, darunter steht "Selbstbewußte MuslimInnen". Das kann doch nicht sein. Wenn Sie keine anderen Fotos im Archiv haben, dann ist es langsam Zeit neue machen zu lassen, die dem Text einigermaßen gerecht werden.

  • L
    Latifa

    Bei Nafisa handelt es sich um eine Deutsche Konvertitin mit extremsten fundamentalistischen Ansichten, um nicht zu sagen faschistoid.

    Diesen extrem reaktionären Strömungen in der Taz eine Plattform zu geben, halte ich für sehr fragwürdig.

    Wann wird hier über die netten jungen Mädels bei der NPD berichtet?

    Mit entsetztem Gruß von einer aufgebrachten gemäßigten Muslimin

  • R
    Rafael

    Bei Nafisa handelt es sich um eine Deutsche Konvertitin mit extremsten fundamentalistischen Ansichten, um nicht zu sagen faschistoid.

    Diesen extrem reaktionären Strömungen in der Taz eine Plattform zu geben, halte ich für sehr fragwürdig.

    Wann wird hier über die netten jungen Mädels bei der NPD berichtet?

  • J
    Janina

    Wirklich alles nur Auslegungssache?

     

    Dann bin sehr gespannt, wie man folgende Sure auslegen kann?

     

    „Die Männer stehen über den Frauen, und wenn ihr fürchtet, dass Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie.“ Koran, Sure 4,34 (nach Rudi Paret).

     

    Es gibt Sachen die man auslegen soll, es gibt aber auch Sachen die man verurteilen und überwinden muss und dazu zählt der Koran und sein Welt-und Frauenbild.

     

    Es ist für mich unbegreiflich, dass man hier für so eine primitive, aggressive und extrem frauenfeindliche Religion Werbung macht indem irgendwelche islamische Frauenaktivistinnen vorstellt. Diese Frauen wollen eine Welt die im Koran beschreiben ist und diese Welt bedeutet eine Sklaverei für Frauen und Andersgläubige.

     

    Ich bekenne mich, dass ich solche Frauen und ihr Weltbild diskriminieren werde!

  • WM
    Waclaw Mrosek

    Ich habe auch was gegen die Diskriminierung durch kopftuchtragende Frauen der ich als Mann ausgesetzt bin, immerhin unterstellen mir solche Frauen, dass ich meine Triebe nicht unter Kontrolle habe, deswegen müssen sie ihre Haare verhüllen, damit ich sie nicht auf der Strasse überfalle.

     

    Aktion erzeugt Reaktion, wer islamische Kopftücher trägt, der muss mit einer Reaktion rechnen, genauso wie jemand, der sich ein Thor Steinar T-Shirt anzieht.

  • P
    Perian

    "Frauenaktivistinnen", die sich auf den Islam beziehen sind in meinen Augen wie Farbige, die sich auf die Rassengesetze beziehen.

     

    Sorry, selten so viel Schwachfug in der taz gelesen.

  • JS
    Jan Sczerab

    Reine Auslegungssache?

     

    Komisch, dass diese "aufgeklärte" moslemische Frauen in Sachen Kopftuch so ziemlich 110% sind.

     

    Einfach nur lächerlich...

  • J
    Julia

    Zitat:

    "Wenn Nafisa etwas sagte, dann hatte ihr Wort Gewicht. Die Urenkelin des Propheten Mohamed war eine berühmte Korangelehrte, die aktiv an den gesellschaftlichen Debatten ihrer Zeit teilnahm"

     

    Die *Urenkelin* des Propheten Mohamed...

     

    Liebe KARIN SCHÄDLER, dass es einen Propheten Mohammed gegeben hat, ist eine Glaubenssache, denn es gibt keine Beweise für seine Existenz, sehr viele Islamwissenschaftler bezweifeln, dass es so einen Menschen gab, es ist sehr merkwürdig, wenn man dann von ihm so schreibt, als ob es sich um eine historische Gestalt handeln würde.

     

    Es würde doch kein Mensch auf die Idee kommen, einen Artikel über die Urenkelin von dem Weihnachtsmann zu schreiben.

  • HK
    Hans Kuminall

    Es freut mich dass die taz endlich intensiver über diese Gruppe von Muslima berichtet!