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Muslimische Schülerin verlässt SchuleAnblick von Badehosen unerwünscht

Der Streit um die Teilnahme am Schwimmunterricht endet für ein muslimisches Mädchen mit dem Schulwechsel. Ein Burkini war den Eltern nicht genug der religiösen Observanz.

Die Ganzkörperbedeckung reicht nicht immer: Eine Muslimin mit Burkini in einem Berliner Freibad. Bild: dpa

HANNOVER/HILDESHEIM dpa | Eine muslimische Schülerin hat ein Gymnasium in Hildesheim aus religiösen Gründen verlassen – sie wollte nicht am gemischten Schwimmunterricht teilnehmen. „Das Kind sollte Jungen nicht in Badehosen sehen“, sagte der Schulleiter des Goethegymnasiums, Reinhard Weddig, am Freitag.

Er bestätigte damit einen Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Das Kultusministerium erklärte, es bestehe Schulpflicht und das gelte auch für den Schwimmunterricht. Bei dem Streit in Hildesheim handle es sich aber um einen Einzelfall.

Dennoch sind Auseinandersetzungen wegen des Schwimmunterrichts nicht neu. Erst im September hatte ein elfjähriges muslimisches Mädchen einen Rechtsstreit um die Befreiung vom Schwimmen verloren. Der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte entschieden, dass der staatliche Bildungsauftrag Vorrang vor der Religionsfreiheit hat.

Nicht von der Schule verwiesen

Die Eltern des Mädchens in Hildesheim, das gerade in die 5. Klasse des Gymnasiums gewechselt war, bezogen sich nach Darstellung des Schulleiters auf den Koran. Das Tragen eines Burkinis – eines speziellen Badeanzugs für muslimische Frauen – lehnten sie ab. Das Kind sei nicht von der Schule verwiesen worden, sagte Schulleiter Weddig. Die Eltern hätten das Mädchen vielmehr abgemeldet.

Die Sprecherin des Kultusministeriums sagte in Hannover, ihr sei kein anderer Fall in Niedersachsen bekannt, der solche Konflikte hervorgerufen habe. Sie verwies darauf, dass es die Möglichkeit gebe, einen Burkini zu tragen oder Schwimmunterricht nach Geschlechtern getrennt zu erteilen. „Das wird in den Schulen meist einvernehmlich geregelt.“

Ein „Burkini“ ist ein Badeanzug für muslimische Frauen. Bis auf Gesicht, Hände und Füße sind alle Körperpartien bedeckt. Das Kunstwort setzt sich aus den Begriffen Burka und Bikini zusammen. Jeder Burkini hat auch eine integrierte Kopfbedeckung.

Der Leiter des Hildesheimer Gymnasiums mit rund 1250 Schülern bedauerte die Entscheidung, das Mädchen auf eine andere Schule zu schicken. Auch dort dürfte das Problem für die Muslimin nicht einfach gelöst sein – denn spätestens im Sommer stehe auf der anderen Schule Schwimmunterricht im Freibad auf dem Plan, sagte Weddig.

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21 Kommentare

 / 
  • S
    Starost

    In Marokko verhält es sich mit dem Burkini-Tragen bei koedukativen Schwimmveranstaltungen für Jugendliche wie folgt:

    http://www.youtube.com/watch?v=1ztCe2bzzwc

  • J
    Johann

    Zum "Mariandl":

    Zitat: ...das "Antlitz der BADEHOSEN der Jungs"...

    Also so schlimm wird ein Burkini ja nun auch nicht gleich aussehen, dass sich die Jungs dann entsetzt die Badehosen übers "Antlitz" ziehen.

    Ausländerdebatten unter Deutschen, die selber nicht der deutschen Sprache mächtig sind, sind mindestens so komisch wie Jungs mit der Badehose über der Birne!

  • KD
    karin doof

    Früher hat man sich als schlechter Sportschüler einfach vom Sport befreien lassen, weil der dämliche Religionsunterricht mehr Punkte brachte.

  • G
    Gunter

    Warum ziehen die nicht nach Saudi-Arabien ? Dort ist das der Normalfall. Warum leben sie in Deutschland ? Sollte das gute Sozialsystem bei dem Aufenthaltsort eine Rolle spielen und die hiesige Kultur keine ? Frage über Fragen ?

  • IR
    Irene Reindl

    @Simone: Für diese Behauptungen hätte ich doch gerne Belege, am Besten durch Quellen. Wäre mir neu, dass z.B. irgendwer sein Kind vom Geschichtsunterricht befreien kann, weil der Inhalt nicht passt.

  • J
    Johann

    Ja,ja,ja - ist ja schon gut!: Auch ich finde dass religiöse Ideen, welche oft genug wahnhaften Charakter haben, in die Schranken gewiesen werden müssen und demokratische Rechte Vorrang haben. Wir leben in einem (fast) säkularen Staat und das ist auch gut so!

    Allerdings meine ich man sollte sich schon mal überlegen wo es sich rentiert eine Front auf zu machen und wo man sinnvollerweise mal Fünf gerade sein lassen sollte um nicht Gefahr zu laufen dass man die Herzen der Leute für immer verliert. Religiöse Menschen sind ängstliche Kindsköpfe. Wer denen Angst macht erntet Ablehung und Aggression. Dann sind die auch in alltäglichen Situationen nicht mehr zur Vernunft zu bringen.

    Also: Schwimmunterricht ist zweifellos gut, aber als Bildungswert völlig belanglos. Man kommt auch ohne diese Fähigkeit sehr gut durchs Leben. Ich bin kein Moslem und habe trotzdem auch nie Schwimmen gelernt, weil ich halt auf dem Lande aufgewachsen bin und ein Schwimmbad oder See weit und breit nicht vorhanden war. Etwas existenziell wichtiges ist mir dabei nicht durch die Lappen gegangen, vielmehr hat es mich möglicherweise stattdessen einen Hautkrebs erspart.

    Und stellt Euch vor: Ich hatte eine niederbayerische Oma, welche ich mir ohne Kopftuch gar nicht vorstellen kann. Dabei war auch diese keine Muslimin, sondern vielmehr streng gläubige Katholikin.

    Was also soll das Theater?!: Macht dort Fronten auf wo es sich wirklich rentiert oder ihr werdet die Herzen (und Hirne) der Menschen nie gewinnen.

  • M
    Mariandl

    Ich verstehe diese Familie nicht. In so vielen arabischen Ländern ist der Burkini willkommen, man braucht nur über das Meer zu schauen z.B. nach Algerien oder Tunesien.

     

    Ein Mädchen in der fünften Klasse stört sich am Antlitz der BADEHOSEN der Jungs die mit ihr in der Klasse sind? Was ist dann in ihrer Hochzeitsnacht wo sie ihrem Mann NACKT gegenüber steht, oder wird sie nachts nur im Dunkeln neben ihrem Mann verweilen???

     

    Ich wette, das sind die Eltern die sich merkwürdig benehmen und nicht die Kinder. Kann mir auch gut vorstellen, dass dem Kind die Eltern mit dieser Angelegenheit sogar peinlich sind. Was werden die machen, wenn der Sommer kommt und die Schule auf der sie NUN geht sagen, sie muss zum Schwimmunterricht, mit oder ohne Burkini. Zieht sie dann wie die Nomaden von einer Schule zur anderen?

     

    Ich werde so manche Muslime nie verstehen.

  • DJ
    Demokratie jetzt!

    Ich möchte gerne Volksabstimmungen. Dann würde für solche Leute die Schlagzeile nicht "Muslimische Schülerin verlässt Schule" sondern "islamistische Familie muß Deutschland verlassen" lauten. Es gäbe sehr bald keine solchen Schlagzeilen mehr. Ein taz-Alptraum - ein Traum für die meisten Deutschen. Träme können wahr werden. Nur der Multikulti-Traum ist ausgeträumt.

  • IR
    Irene Reindl

    Das sind doch ausschließlich die Eltern, die da hinterstehen und dem offenbar klugen Mädchen jetzt möglicherweise sogar das Gymnasium versauen, nur aus religiösem Eifer. Im übrigen würde mich wirklich mal Sure und Vers interessieren, auf den sie sich mit ihrem Verweis auf den Koran beziehen.

     

    Im Falle solcher bornierter Eltern sollte der Staat das Sorgerecht entziehen. Aber bei muslimischen Eltern traut man sich ja nicht.

     

    @Blumentritt: Die (Des-)"Integrationsministerin" Öney möchte übrigens jetzt Kopftücher auch für Lehrerinnen einführen.

  • S
    sabine

    Einzelfall....

     

    Kommt mir bekannt vor.

  • B
    broxx

    LOL, Einzelfall...wenn´s bloß so wäre.

    Traurig das verbohrte Eltern ein Leben in Deutschland erschweren. Gut das die Schule sich nicht hat kleinkriegen lassen!

  • A
    andreas

    Glaubt eigentlich noch irgendwer das sich die relgiösen Spinner in diesem Land irgendwie stoppen oder beeindrucken lassen ?!

    Ich hab da jede Hoffnung aufgegeben, zumal Jene sich immer schön auf das GG berufen können.

    Wir haben keinerlei Mittel um etwas dagegen zu setzen.

    Denn Kritik ist = NAZI

    Solange wir (Sekulare und Atheisten) uns so aushebeln lassen haben wir keine Chance...KEINE :0/

     

    Das Mädchen tut mit noch nicht einmal leid, denn sie wird ihre Kinder genauso behandeln !

  • S
    Simone

    Ein NPD-Mitglied verbietet seiner Tochter die Teilnahme am Geschichtsunterricht, der den Überzeugungen der Familie widerspricht. Freiheit und Erziehungsrecht der Eltern.

     

    Der Fabrikantensohn lässt sich vom Sozialkundeunterricht befreien, wenn das Thema Sozialstaat behandelt wird. Freiheit und Erziehungsrecht der Eltern.

     

    Der Gewerkschafter lässt seine Tochter zu Hause, wenn Wirtschafskunde stattfindet. Freiheit und Erziehungsrecht der Eltern.

  • B
    Banta

    Im deutschen demokratischem Einheitsstaat werden keine Ausnahmen gemacht. Nicht auch nur ein Jota darf vom amtlich vorgeschriebenem Lehrplan abgewichen werden. Die Deutsche Schulpflicht geht über alles!

  • SW
    S. Weinert

    @ Susanna

     

    Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen ist kein Zeichen für mangelnde religiöse Toleranz. Es gilt ausschließlich an staatlichen Schulen, da hier der Lehrer bzw. die Lehrerin als Repräsentant des Staates auftritt und von daher in allen politischen, weltanschaulichen oder religiösen Fragen zur strikten Neutralität nach außen hin verpflichtet ist. Gem. § 33 Abs. 1 dienen Beamte dem ganzen Volke, nicht einer Partei oder religiösen Körperschaft. Bestimmte Ausnahmen gelten für den Religionsunterricht. Nichtstaatlichen Schulen steht es frei, ob sie ihrem Lehrkörper ähnliche Vorschriften auferlegen, dazu verpflichtet sind sie nicht.

  • R
    Respekt

    Religiöse Eiferer handeln aus reiner Unsicherheit und Engstirnigkeit. In Deutschland soll jeder Schüler schwimmen lernen, wenn es der Lehrplan so vorsieht. Wenn sich die Eltern weigern, muss eben die Polizei für die Durchsetzung der Schulpflicht sorgen. Wenn die Eltern dies nicht möchten, müssen sie eben in ein anderes Land ziehen. So einfach ist das.

     

    Religionen bringen mehr Unheil und Krieg auf die Welt als sie mit ihrem Glauben und Halt gut machen könnten. Ob Christen, Muslime, Juden oder Buddhisten - alle fundamentalistischen und konservativen Eiferer leben im vorletzten Jahrhundert. Religionen werden bei zunehmender finanzieller und medizinischer Sicherheit zum Glück immer unwichtiger.

  • B
    Blumentritt

    Zu Susanna:

     

    Weil für Lehrer/innen ans Schulen das Neutralitätsgebot gilt, ganz einfach. Sie sind Vorbilder und wenn sie ein nicht neutrales Kleidungsstück tragen, wie das Kopftuch oder religiöse Amtstrachten sind sie an der staatlichen Schule nicht neutral. Finde ich auch sinnvoll, denn man "lernt" auch den Lehrer, vielleicht mehr als den Stoff.

  • D
    D.J.

    @taz.de

     

    Danke ;)

  • S
    Susanna

    Ich hatte vor 25 Jahren meinen ersten Schwimmunterricht in der Grundschule. Damals nahmen die zwei türkischen Mädchen in meiner Klasse einfach nicht daran Teil, das wurde protestlos hingenommen. Niemand hat sich mit den Eltern auseinandergesetzt oder für die Integration der Mädchen starkgemacht.

    Wann immer ich etwas über Kopftuchverbote gelesen habe, habe ich mich gefragt, warum es für den Staat okay ist, dass Mädchen aus religiösen Gründen vom Unterricht ferngehalten werden, wenn sie es aber trotzdem schaffen, Lehrerin zu werden, sie Symbole dieser Religion nicht offen zeigen dürfen.

    Kopftücher als Symbol der Unterdrückung zu stigmatisieren, aber die tatsächliche Ausgrenzung von jungen Mädchen zu tolerieren - das habe ich nie verstanden.

    Dabei wäre es doch gerade für muslimische Mädchen wichtig zu wissen, dass der Staat hinter ihnen steht, dass er will, dass sie als Musliminnen ihren selbständigen Weg finden.

    Ich finde es gut, dass Schulen heute konsequenter sind und nicht einknicken. Alle Mädchen gehören in den Unterricht, der auf dem Lehrplan steht.

    Das ist Integration.

    Wenn das durchgesetzt wird, ist das Tragen von religiösen Symbolen auch nicht mehr so aufgeladen.

  • T
    taz.de

    @ D.J. und prospektive KommentatorInnen

     

    Solange Sie unsere Netiquette (http://taz.de/6/netiquette/) beachten, kommen Ihre Kommentare auch durch. :o)

  • D
    D.J.

    "Die Eltern hätten das Mädchen vielmehr abgemeldet."

     

    Bei solchen Nachrichten ergreift mich die nackte, hilflose Wut. Verantwortungslose, religiös verdummte und verdummende Eltern dürfen die Zukunft eines jungen Mädchens ruinieren. Wir haben 2012. Diese ganze religiöse Sch... ekelt mich nur noch an. Hoffe, der Kommentar kommt durch. Aber jede andere Formulierung wäre für mich eine Verharmlosung.