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Muslime und HomosexualitätDie Leerstelle

Muslime und Homosexualität: Vier einseitig Betroffene ringen in der Berliner Schaubühne mit der Wirklichkeit und dem Thema. Es fehlen homosexuelle Muslime.

Schwul und auch noch Muslim? Sieht man hier nie. Bild: Maria Vaorin/photocase.com

BERLIN taz | Die meisten homosexuellen Muslime in Deutschland leben im Verborgenen. Das ist ein Satz, der empirisch keinen Bestand hat, weil es keine Studien gibt, die ihn be- oder widerlegen. Homosexuelle Muslime sind eine Leerstelle, oder wie es die Moderatorin des "Streitraums", die Journalistin Carolin Emcke, in der Berliner Schaubühne am Kurfürstendamm ausdrückte: "ein blinder Fleck".

Menschen, die unter einer doppelten Diskriminierung leiden - einerseits als Homosexuelle, andererseits als Migranten - und zudem im Rahmen einer aufgeladenen Integrationsdiskussion instrumentalisiert würden. Das Verhältnis zur Sexualität werde zum Lackmustest gemacht für die Aufgeklärtheit und Modernefähigkeit einer Gesellschaft oder eines Milieus - Islamgegner beriefen sich daher in jüngster Zeit auf die Homophobie des Islam, um Ressentiments zu schüren.

Um den "Mythos Aufklärung" sollte es gehen - und um Konstruktionen. Geladen waren Volker Beck, menschenrechtspolitischer Sprecher der Grünen und bekennend homosexuell, die Schriftstellerin und Journalistin Hilal Sezgin (Muslima, hetero, ausdrückliche Vegetarierin) und die Gender-Forscherin María do Mar Castro Varela (lesbisch, was sie jedoch eher als politischen Begriff denn als identitäre Kategorie verstanden wissen möchte). Es fehlten allein jene, über die diskutiert wurde: die homosexuellen Muslime.

Und sie blieben auch im weiteren Verlauf der Diskussion eine Schimäre. "Warum ist es eigentlich so schwer, über dieses Thema zu sprechen?", wollte Carolin Emcke zu Anfang wissen. Es war schwer. María do Mar Castro Varela fand schon die Fragestellung an sich kritikwürdig: "Warum beschäftigen wir uns mit der Frage?" Auch Hilal Sezgin empfand die Frage nach Identitäten an sich als "bedrängend": Muslime, Homosexuelle, Migranten, "man hat mehrere Identitäten und am Ende immer ein Schnittmengenproblem".

Im weiteren Verlauf plädierte Sezgin für einen pragmatischen Umgang mit dem Problem: "Wenn man den Kontakt zu seiner Familie behalten will, muss man ihr ja nicht alles sagen."

Volker Beck wiederum plädierte für eine Annäherung an die Realität - immer wieder hatte es in den letzten Jahren Unbehagen darüber gegeben, dass Übergriffe insbesondere von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und vermutetem muslimischen Glauben auf Homosexuelle thematisiert wurden, sei es in den Medien oder vom Berliner schwulen Antigewaltprojekt Maneo: "Wenn man sich nicht mit Täterstrukturen beschäftigt, kann man auch keine Präventionsarbeit leisten."

Beck betonte jedoch auch, dass seit dem 11. September auch innerhalb der schwulen Community zunehmende Aggressionen gegenüber Migranten bestünden: "Das hat es so früher nicht gegeben."

Auf der Strecke blieben Bedrängnisse der Schwulen, Lesben und Transgender sowohl in der "muslimischen Welt" als auch in der deutschen Einwanderungsgesellschaft. Die von Emcke zu Beginn avisierte Beleuchtung des Zusammenhang zwischen Ehrvorstellungen, patriarchalen Strukturen und Homophobie - welcher in der Tat von einzelnen Religionen wie dem Islam unabhängig besteht - kam auf dem Podium zu kurz.

Stattdessen wurde Studie um Studie zu Rate gezogen - inklusive der beliebten Technik, diese je nach Gusto als wahlweise "unethisch" oder "interessant" zu bezeichnen: "Man müsste diese Studien mal auf der Metaebene untersuchen", befand zum Beispiel María do Mar Castro Varela.

Warum ist es eigentlich so schwer, über dieses Thema zu reden? Es ist schwer, und womöglich kommt man am Ende nicht darum herum, tatsächlich über Sexualität zu sprechen, wenn es um Homosexualität geht. Etwa über die mann-männliche Sexualität in Gesellschaften und Milieus, die von Geschlechterapartheid geprägt sind. Es ist schwierig, an einem Sonntagmittag über Analverkehr zu sprechen. In der Mitte der Gesellschaft.

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3 Kommentare

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  • PS
    Post Scriptum

    Da ich jetzt weiß, dass die rhetorische Frage von Frau Castro Varela als Subversion der Fragestellung/Formulierung der Thematik der betreffenden Diskussion zu verstehen ist (leider habe ich sie nicht verfolgt und war nicht darüber im Bilde), erübrigt sich mein vorangehender Kommentar.

     

    Übrigens müssen Studien immer auf der Metaebene untersucht werden: schon mit der Überprüfung, ob Begriffe/Passagen, oder, wenn man ganz dreist ist, ganze Kapitel kritisch unreflektiert übernommen werden (oder gar kopiert, ohne Angabe der Quelle), da sind wir schon auf der Metaebene (denn um die Thematik, im engeren Sinne, geht es nicht).

  • PS
    Post Scriptum

    Diese rhetorische Frage von Frau Castro Varela ärgert mich wirklich sehr. Denn auch umgekehrt könnte man, wenn man wollte, auch die Frage stellen: Warum soll ich mich als nicht-Lesbe mit Lesben-Fragen beschäftigen? Und die Antwort ist ganz simpel: 1. Weil es mich tatsächlich interessiert. 2. Weil Lesben (glücklicherweise) zu meinem Leben gehören, wie das täglich Brot, das ich esse, und es geht mich was an, was mit diesen Frauen passiert.

    Auch abstrakt geht es mich was an, dass Frau Castro Varela als bekennende Lesbe ihre Doktorarbeit (hoffentlich ohne Plagiate) einreichen konnte, ich finde, dass sie auch als bekennende Lesbe das Recht hat zu dozieren und ihre Meinung kundzutun, der ich dann widersprechen könnte, all das weil es mich einfach angeht. Auch die Benachteiligungen und Probleme, die sie vielleicht in ihrem Leben erfahren hat, gehen mich was an und ich würde es, glaube ich, lesen, wenn sie darüber schreibt.

     

    Allerdings kann man auch finden, dass uns das alles überhaupt nichts angeht. Sowohl die Lesben allgemein als auch Frau Castro Varela speziell würden aber trotzdem nicht aufhören zu existieren, nur weil ich sie nicht wahrnehme.

    Sie könnte sich allerdings das Leben nehmen, oder jemand anders könnte das für sie erledigen. Sie könnte ohne Grund einfach so gefeuert werden, keine Arbeitsstelle finden, oder eine als Putzfrau (trotz ehrlich und ohne Plagiate erarbeitetem Doktortitel). Sie könnte auch an Hunger sterben, oder weniger dramatisch, einfach kaum über die Runden kommen und kein Mensch möchte ihre Schriften publizieren, weil ja Lesbe. Sie könnte beschließen, dass es für sie besser wäre, zurück in den Schrank zu gehen und sich umzuqualifizieren (z.B. zur Chemikerin oder Automechanikerin oder Krankenpflegerin, oder sonst alles, was so an dem Ort der Welt und dem Zeitpunkt, wo sie sich gerade befindet, bzw. befinden muss, einer Frau, die ungeoutete Lesbe ist, zugänglich wäre). Oder sich als Bankräuberin betätigen, oder auch einfach Alkoholikerin werden usw. und sf. Sie wäre nicht der erste und auch nicht der letzte Mensch auf der Welt, der sich in solchen Situationen wiederfindet und so handelt, nachvollziehbar oder eben nicht. Man würde allerdings kaum etwas davon mitbekommen oder sich dabei was denken, wenn man findet, dass es einen ja nicht wirklich angeht, denn mir geht es ja so weit so gut, was geht mich das eigentlich an?

  • AM
    Awaiting moderation

    Als Negativbeispiel des Umgangs mit Homosexualität in den islamischen Ländern, kann man die türkische Frauen- und Familienministerin Selma Aliye nennen, für die Homosexualität eine Krankheit sei. Siehe:

     

    http://www.faz.net/s/Rub510A2EDA82CA4A8482E6C38BC79C4911/Doc~EBB746FB0D32D4A87B1EE3723BD820FB0~ATpl~Ecommon~Scontent.html