: Muskelspielchen
■ betr.: „Verdienstorden zurückge geben“ (Wolfhart-Pannenberg- Portrait), taz vom 25./26. 1. 97
Pannenberg erwarb sich seinen zweifelhaften theologischen Lorbeer in den fünfziger Jahren. Damals, es war die Zeit Adenauers, konnte er den lieben Gott gar nicht tief genug in die Geschichte hineinrühren. Anders als die Dialektische Theologie (Karl Barth, Helmut Gollwitzer), sah der CSU- Hoftheologe im Mief der Zeit direkt den Heiligen Geist am Werk. Schwule, gerade noch dem KZ entronnen (oder auch nicht), kamen wenigstens noch ins Gefängnis. Auch der liebe Gott beziehungsweise Pannenberg mußten halt zuweilen Zugeständnisse machen. Schließlich gab es noch ein freudvoll glühendes Eisen im säkularen Feuer: Die Ehe, mochten dialektische Theologen sie auch noch so als „Götze des Bürgertums“ schelten.
Doch nun ist der Zeitgeist dem Spiritus sanctus zu nah auf den Pelz gerückt. Der Theologe läuft Amok. Seit zwei Jahren droht der alte Strauß-Intimus damit, sollte sich die EKD in der Schwulen- und Lesbenfrage bewegen, würde er, Pannenberg, sich den Fundamentalisten anschließen. Die Erpressung geht bisher auf. Theologiegeschichtlich ist sein Werk nicht gänzlich unbedeutsam; der eine oder andere beherzigenswerte Satz mag sich darin finden. Was für ein Verlust, wenn sich so ein gescheiter Kopf von der Volkskirche abwendet, um sein Glück in fundamentalistischen Zirkeln zu suchen!
Vor diesem Hintergrund ist die Rückgabe des Bundesverdienstkreuzes zu verstehen: Er meint es ernst. Ein Warnschuß in Richtung EKD. Man kann nur hoffen, daß er endlich das Angedrohte wirklich macht, damit diese Muskelspielchen ein Ende haben. Auch „hochgebildete“ Reisende sollte man nicht aufhalten. Möge er sich doch bei Christa Meves zum terroristisch-fundamentalistischen Häkelkränzchen einfinden, um den Untergang des Abendlandes zu bewehklagen. Möglich, daß bei Tee und etwas Gebäck beider Spekulation über den Analverkehr zu noch größerer Tiefe reifen.
Zu recht konstatierte Helmut Gollwitzer in den siebziger Jahren: „Am schlimmsten ist Pannenberg.“ Holger Tiedemann, Hamburg
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