piwik no script img

Musikszene in KubaDie Barden der Revolution

Seit Wochen herrscht Aufregung in Kubas Kulturszene. Musiker und Intellektuelle fordern mehr Respekt für die Opposition und plädieren für den Wandel.

Marsch der "Ladys in White". Das offizielle Kuba spricht von einer internationalen Kampagne, die mit dem Hungertod von Orlando Zapata Ende Februar einsetzte. Bild: dpa

Der vorerst Letzte, der sich zu Wort meldete, war Carlos Varela. Der kleingewachsene, gedrungene Liedermacher verurteilte bei einem Konzert im US-amerikanischen Miami Mitte letzter Woche die sogenannten "actos de repudio" gegen die "Damen in Weiß".

Dies ist eine Organisation von Frauen und Angehörigen der 75 Dissidenten, die im März 2002 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Und sie marschiert seither regelmäßig protestierend durch Kubas Hauptstadt Havanna. Zuletzt kam es dabei immer wieder zu Beschimpfungen, Handgreiflichkeiten und regelrechten Angriffen auf die Frauen.

Laut der kubanischen Regierung sind dies Akte einer spontanen Reaktion der Bevölkerung, laut internationalen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International dienen sie aber der systematischen Einschüchterung und werden zumeist von Polizei- und Armeeangehörigen ausgeführt.

"Die Frauen in Weiß verdienen allen Respekt und haben das Recht, für ihre Angehörigen zu kämpfen", sagt der Sänger Varela, der als eher kritische Stimme gilt. Der 46-jährige Liedermacher, der an der Seite von Silvio Rodríguez international bekannt wurde, bezog auch Position in einem weiteren Fall - dem von Guillermo Fariñas. Dieser unabhängige Journalist und Psychologe, der 2006 den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar erhielt, nimmt aus Protest gegen die Haftbedingungen in kubanischen Gefängnissen seit dem 24. Februar keine Nahrung zu sich. Fariñas hat Staatschef Raúl Castro zudem um die Freilassung von 26 Gefangenen gebeten, die in bedenklichem Gesundheitszustand sein sollen. Kubas Regierung bezeichnet das Vorgehen von Fariñas als Erpressungsversuch. Das sieht Varela allerdings anders. "Jeder Mensch, der bereit ist, für eine Sache zu sterben, sollte mit Respekt gehört werden", so der Sänger auf einer Pressekonferenz.

Ungewohnte Töne

Mit seiner Meinung steht Varela nicht allein da. Die Zahl der Künstler, die sich innerhalb und außerhalb Kubas mit dem Hungerstreik von Guillermo Fariñas und dem am Hungerstreik gestorbenen Dissidenten Orlando Zapata solidarisieren, wird größer. Auch Pablo Milanés, der gemeinhin als Sänger der Revolution gilt, sich aber mehrfach gegen Denkverbote aussprach, mahnte Anfang März in der spanischen Tageszeitung El Mundo: "Die Ideen diskutiert und debattiert man, man sperrt sie nicht ein".

Wenig später plädierte Silvio Rodríguez - wie Milanés eher als Barde der Revolution denn als deren Kritiker bekannt - für die "Amnestie der rund einhundert Gefangenen", die inzwischen viele als "Gewissensgefangene" bezeichnen. Ein ungewohnter Tonfall für den 63-jährigen Sänger, der nun auch prinzipiell für den Wandel in Kuba eintritt und ein Ende der "Logik des Kalten Krieges" fordert. Markige Sätze, die in Kubas Kulturszene für einiges Aufsehen sorgten. Zumal daraufhin eine Karikatur in der Parteizeitung Granma erschien, die einen singenden Barden zeigte, der die Interessen der Armen verrät und zu Geld gekommen ist. Ein Warnschuss des Establishments an die kubanischen Intellektuellen, die sich für Reformen aussprechen.

Das offizielle Kuba spricht von einer internationalen Kampagne, die mit dem Hungertod von Orlando Zapata Ende Februar einsetzte. Dagegen mobilisierte die Regierung das kulturelle Establishment und bat es auf die Bühne vor der US-Interessensvertretung. Im April wurde dort an der berühmten Uferpromenade Malecón gegen die "Diffamierungskampagne" aufgespielt. Unter den Musikern waren die als kritisch geltenden Rapper von Doble Filo, Liedermacher Gerardo Alfonso, aber auch Silvio Rodríguez. Der spielt nun für die Revolution und gleichzeitig für den Wandel.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • JS
    Jens Schröder

    Früher oder später trifft es alle! Die Revolutionäre von einst sind die Betonköpfe von heute geworden und haben nichts besseres zu tun, als das zu kopieren, was sie eigentlich überwinden wollten: Andersdenkende auszuschalten.

    Kuba ist schon lange reif für den Wandel. Die ewige ideoliogische Polemik als "von den USA initiiert" wird den Wandel auf Kuba auf Dauer nicht aufhalten. Die Künstler des Wandels sind nach Kräften zu unterstützen!