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■ Schöner LebenMusikhaberliebe

Darf man Klassik lieben, aber nicht kennen? Also sagen wir mal: Darf man ohne Subdominanten im Hinterkopf Mozart kaufen? Also einfach so losgehen, ein Geschäft betreten und sagen: Ich hätte gerne was Nettes von Beethoven, so um 20 Minuten und mit vielen Geigen? Oder: mir ist so überschwenglig, ham Sie vielleicht was Brausendes, bloß ohne Orgel?

Ich seh's schon: da steht doch sofort ein Professor neben dir und wickelt seinen Schal enger, während die Fachkraft hinterm Tresen kollabiert. Sowas geht also nicht. Nicht nur wegen der eigenen Reputation, sondern auch wegen Beethoven und Konsorten: Wo kämen wir hin, wenn die von jedem gekauft werden dürften!

Nein, man muß Vivaldi schon wie einen Pappenheimer kennen und darf alles außer seinen vielen Jahreszeiten lieben, am besten das noch unentdeckte 77. Schalmeienkonzert in Dur und ausnahmsweise auch noch Moll.

Wer Pech hat, hat mal Bizet in den falschen Hals der Verehrung gekriegt und will jetzt groß einsteigen in seine Symphonien. Oh heilige Göttin der Verblendung - darf man in ein Werk eindringen, das nicht für deine Ohren gemacht ist, sondern nur für solche, die vom Blatt denken und die zweite Schaffenskrise auch wirklich dazuhören können? Davon abgesehen, ob hier Symphonien überhaupt vorliegen.

Nachher wäre auch Tschaikowski ganz umsonst depressiv gewesen, wenn man den Meister im Geiste oder wenigstens akustisch nicht durch Moskau trudeln sieht.

Na, was soll man sich aufregen: es muß ja Gottseidank niemand von uns dabei sein, wenn so ein Banause zu Hause glaubt, er höre grade Mendelssohn, weiß aber gar nicht, wie das geht. Claudia Kohlhase

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