: Musikfan aus Rastede
■ Am Sonntag lohnt es sich mal wieder, Richtung Pudel Club zum Hafen zu pilgern
Mitte der 60er Jahre beobachteten Forscher in Niedersachsen ein seltenes geomorphologisches Phänomen. Durch einen sich vorlagernden Grundwasser-Fluß weichte die marschhafte Schwemmlanderde auf. Für das Städtchen Rastede bedeutete dies einen Sprung in seiner Geschichtsschreibung. Denn der zunehmend brackschlammige Unterboden ließ die meisten Häuser allmählich in den Grund einsinken. Die Landesregierung unterbreitete daraufhin einen bis heute einmaligen Vorschlag: Die Erdmasse in den Versackungszonen solle abgetragen und die Gebäude abgerissen werden, an einer nahe gelegenen Stelle könne ein Neuaufbau vom Staat finanziert werden.
Der Musikfan und Comic-Zeichner Frank Hemjeoltmanns wuchs in Rastede auf. Entsprechend spielen Landschaften, Weite, aber auch Musik in seinen Arbeiten tragende Rollen. Hemjeoltmanns: „Weite habe ich zum ersten Mal begriffen, als ein Freund zu einem dieser fernsehverguckten Sonntagnachmittage eine Platte mitbrachte, die mir die Landschaft draußen verständlich machte. Das war Bob Dylans ,Blonde On Blonde'.“ Im locker mitschwingenden Text zu seinen gezeichneten Bildern formuliert Ham, wie er sich „bei der Arbeit“ nennt, mit Nachdruck. Eine dylanhafte, beißende Lakonie nicht ausgeschlossen: „Ich war derjenige, der deplaciert war / Aber die Fahrt war gut / Durch Bäume im Mondlicht / Und zurück in der Stadt / Sah ich eine Aids-Reklame / Die erste in dem Jahr.“
Vorsichtig, aber nie unverbindlich gestrichelt, öffnen sich in Hems Zeichnungen regelmäßig Räume, in denen ein Chor aus inneren Stimmen Augen-Blicke besingen könnte. Bei deren Ansicht kommt eine sinnliche Unsicherheit auf: Wehte vom Horizont gerade ein Beach-Boys-Stück oder ein Requiem herüber? Um solche Fragen anschaulicher zu behandeln, wird Hem im Golden Pudel Club mit Bildern und Schallplatten präsent sein. Ein Abend im Zeichen des unverbesserlichen, aufgeklärten Philanthropentums steht bevor.
Kristof Schreuf
Golden Pudel Club, So, 22 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
