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Musikal-Sklerose

■ Bremen als Schauplatz der Geriatrisierung der Musik

Daß es Musikrichtungen gibt, in denen fortgeschrittenes Alter der MusikerInnen durchaus gefragt ist, ist bekannt. Jazz-Freunde schwärmen von der Lebenserfahrung, die den Klängen angegrauter Solisten erst die letzte Tiefe in den Ton stanzt; Dixie-Adepten setzen auf ein gewisses Alter, weil es sie nicht an ihr eigenes, vorzeitiges, erinnert; Irish-Folk-Fans sehen erst ab einem gewissen Alter die roten Bart-und Oberhaare richtig glaubwürdig sprießen. Es ist auch nicht neu, daß selbst auf dem Gebiet der Pop-Musik, die einmal als die Musik der Jugend entstanden war, wild, sexy, ungestüm und vor allen Dingen gutaussehend, das große Rentenproblem unübersehbar am Horizont aufsteigt. Die Jugend ist gealtert und ihre Sex-Idole sind fett geworden. Bremen, das junge, schwungvolle Oberzentrum des mittleren Nordens, wird in diesen Wochen zu einem Herd der Geriatrisierung der Popularmusik. Eine Schwemme abgehalfterter und mit größter Mühe wiederbelebter Stars von gestern oder noch früher schwappt über die Stadtgrenzen. Dabei sind außer der guten, wo physisches Alter nicht mit dem nostalgiekompensierten kreativen Stillstand gekoppelt ist, die verschiedenen Senilitätsstufen an den verschiedenen wiederbelebten KünstlerInnen abzulesen.

Wishbone Ash war einmal, vor knapp 20 Jahren, einer der Hits aller Amateur-Rockbands, die mit zwei Gitarren immer schön im gefürchteten Terz-Abstand fremde Soli sich in die Finger marterten. 15 Jahre lang hörte man von ihnen nichts, zumindest nichts Wesentliches, und das hat auch niemand zu bedauern gehabt. Jetzt haben sie schon wieder eine zweite Platte gemacht und fallen auf ihrer Welttournee in Vegesack ein. (Gala, 12.11., 20 Uhr)

Herman Brood ist vom gleichen Schlag, europäischer, fast schon deutsch, mehr ehrlich-echter Sänger mit ehrlich echten Texten, also ehrlich-echt glaubwürdig, Mann. Nur sein Schweigen war kürzer. Aber er kommt ja auch vom Kontinent und da sind die Entfernungen kleiner, man hört also jede noch so kleine Regung viel deutlicher. Mit aller Härte, oh Schicksal. (Modernes, 28.11., 20 Uhr)

Curt Cress, ganz deutsch, war immer der fleißige junge Mann am Schlagzeug, der es bis zum Studiomusiker gebracht hat, unsere Version der Tellerwäscher-Legende. Brilliantes Handwerk. (Modernes, 9.11., 20 Uhr)

Quadratdeutsch schließlich und an sich eher eine Zumutung als eine Veranstaltung und das gleich zweimal. Ingo Insterburg geistiger Ziehvater, Wegbereiter von Karl Dall und damit einer Tradition der Verrohung des Lachens, die einem selbiges nahezu aus dem Gesicht verbannt. (Gala, 22.11., Modernes, 23.11., jeweils 20 Uhr)

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