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Archiv-Artikel

„Musik als handelndes Element“

Sie arbeiten mit Mixturen live und elektronisch produzierter Kammer- und Popmusik und fürchten den barocken Übervater nicht:Die Komponisten Jan Dvorak und Jan Feddersen, vereint im „Klub Katarakt“, haben das Stipendium des Hamburger Bach-Preises bekommen

taz: Herr Dvorak, wo verortet sich der „Klub Katarakt“ musikalisch?

Jan Dvorak: Katarakt umfasst zwei Facetten: das aus Jan Feddersen und mir bestehende Komponistenduo sowie ein Netzwerk von Künstlern verschiedener Sparten, die gemeinsam Aufführungen gestalten.

Deren Machart?

In unseren Konzerten stehen sowohl Komponisten als auch Interpreten im Zentrum; manchmal kommt ein Lichtdesign dazu. Meist wird Neue Musik gespielt, gelegentlich aber auch experimentelle Popmusik.

Wie arbeiten Sie als Komponistenduo zusammen?

Wir spielen in den Stücken des andern mit oder dirigieren sie und wir organisieren Konzerte.

Für welche Instrumente schreiben Sie?

Für das klassische Instrumentarium, ergänzt um Instrumente aus der Popwelt. Hinzu kommen elektronisch produzierte Zuspielungen, die Kombinationen mit live gespielten Instrumenten eingehen.

Welche Gattungen bieten Ihre Aufführungen?

Konzerte und Genre-Mixturen. Einmal habe ich zum Beispiel ein Musiktheater-Projekt inszeniert – eine Kombination aus Schauspiel und Lesung, kombiniert mit Kammermusik und elektronischen Zuspielungen. Ich suche nach Formen, bei denen die Musik nicht nur Zuträgerin einer Handlung ist, sondern handelndes Element wird.

Wodurch wird sie das?

Dadurch, dass man die Gewichtung verändert, konzertanten Elementen viel Raum einräumt und von narrativen Strukturen abweicht.

Eine Art Collage?

Kann man sagen. Die szenische Collage als komponierte Form.

Ist Ihr Ideal die Stimmigkeit von Musik und Text?

Ich muss zugeben, dass mich Stimmigkeit sehr interessiert. In der zeitgenössischen Kunst wird ja viel mit Kontrasten gearbeitet. Mich haben aber immer auch monochrome Zugänge interessiert. Das Verschmelzen verschiedener Elemente.

Ein gelungenes Beispiel?

Bei einem Ovid-Projekt, das wir einmal gemacht haben, war irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Stimmen und Aktionen der Schauspieler mit der Musik eine Einheit eingingen, sodass man Ursache und Wirkung nicht mehr unterscheiden konnte.

Wie das?

Die Schauspieler sprachen Ovid. Dazu gab es eine orchestrale Zuspielung. Gleichzeitig wurde alles, was auf der Bühne geschah, verstärkt, auch die Geräusche der Schauspieler. So konnte man nicht mehr unterscheiden, ob ein Geräusch live von einem Schauspieler oder vom Band stammte. Das ist so, als ob man ein Musikstück hört und es wie eine Landschaft empfindet, in der man herumspazieren kann.

Sie haben gerade das Bachpreis-Stipendium bekommen. Was interessiert Sie an Bach?

Die Präludien. Und dort insbesondere der Moment, in dem sich in der ständig variierten Wiederholung des Gleichen die Zeitwahrnehmung verändert. Wie bei dem C-Dur-Präludium, bei dem geradezu stur dieselbe Folge wiederholt, aber immer um einzelne Töne verändert wird, sodass trotzdem ein großer Spannungsbogen entsteht.

Sehen Sie darin etwas Serielles?

Ja. Wobei mich vor allem die winzigen Veränderungen interessieren, die neue Harmonien ermöglichen. Aber die müssen sich entwickeln. Wie eine feine Spur.INTERVIEW: PETRA SCHELLEN