„Muse“, Große Freiheit 36 : Alles ist neu
Früher erspielten sich aufstrebende Beat-Gruppen ihren Ruhm durch tägliche Konzerte an der Großen Freiheit. Heute tut es eher Wunder, zieren an zwei aufeinander folgenden Abenden dieselben Gitarren und Gesichter in Nummer 36 die Bühne. Diese Logik umdrehend, musste das englische Trio Muse am Wochenende gleich zweifach ran. Weil es schon so etwas wie berühmt ist.
Früher klatschte der Saal kein Stakkato, um die Band auf die Bühne zu bewegen. Das gab‘s ja nur im Stadion. Als sie noch jung und unbekannt waren, traten Muse doppelt so oft auf, aber keine zweimal an einem Ort. Vor vier, fünf Lenzen, im Alter von knapp 20, war das so – ihr erster Longplayer stand im Laden: Showbiz. Damals gab es keine in bunten Farben und Formen schimmernde Videowall, keine stählern-glänzende Lichtorgel, kein tausendstimmiges Hintergrundraunen. Das alles ist neu. Damals waren Muse verträumte junge Männer und ihr mit Grunge und Kopfstimme zur Schau getragenes Pathos richtig süß. Diesmal wirken sie wie brilliante Dompteure der Emotionen, die ihre Töne gut im Griff haben – und gleichsam das Publikum. Wenn Matthew Bellamy über die Tasten perlt, sich zu sirenenhaften Tremoli hinaufzwitschert und die Gitarre mit dem Bühnenboden rückkoppelt, kullern Tränchen, rinnt der Schweiß und wogt die Rocker-Mähne. Früher ist vorbei. Und diese Muse gibt‘s bald nur noch im Stadion. MARKUS FLOHR