Murdoch und der Abhörskandal: Der Chef-Ankläger
Der Auftritt vor dem britischen Unterhaus hat gezeigt, dass Rupert Murdoch sich keiner Schuld bewusst ist. Der Medienzar reicht die Verantwortung nach unten durch.
Er wollte zuerst nicht kommen. Und im Nachhinein, muss man sagen, hätte es auch keinen großen Unterschied gemacht, wenn Rupert Murdoch zu Hause geblieben wäre.
Der Auftritt des Medienunternehmers und seines Sohns James vor einem Ausschuss im britischen Unterhaus am Dienstag sollte ihre Kooperationsbereitschaft bei der Aufarbeitung des Abhörskandals um die mittlerweile eingestellte Murdoch-Boulevardzeitung News of the World signalisieren, doch über die Demonstration formaler Konzilianz gingen ihre Aussagen keinen Deut hinaus.
Rupert Murdoch sagte zwar, dies sei "der demütigste Tag meines Lebens", doch wirkte selbst dies bizarr hochmütig, da er keine Anstalten machte, Verantwortung zu übernehmen für einen beispiellosen Skandal, dessen Tragweite noch nicht annähernd überschaubar ist, der sogar das zweifelhafte Lebenswerk des 80-Jährigen bedrohen könnte.
Murdoch war nicht erschienen, um Buße zu tun, um Verzeihung zu bitten - sein Auftritt in London war also mitnichten der Gang nach Canossa, als der er im ZDF-"heute journal" dargestellt wurde. Murdoch ist sich entweder tatsächlich keiner Schuld bewusst oder gesteht sie aus taktischen Gründen nicht ein - immerhin geht es um Straftaten - beide Möglichkeiten sind so empörend wie beschämend. Die Unternehmenskultur der Murdoch-Medien scheint dem Niveau der News of the World ebenbürtig.
Ein Gentleman - aber nur zum eigenen Vorteil
Doch nicht nur aus linker Perspektive ist Murdochs Verhalten kritikwürdig - er verrät auch seine eigene kapitalistische Logik: Es gehört zu den Grundzügen des Unternehmertums, Verantwortung fürs Geschäft und die Mitarbeiter zu übernehmen - dies gilt auch und gerade für Entscheidungen, in die der Unternehmer nicht unmittelbar eingebunden war. Bis zum Beweis des Gegenteils muss man davon ausgehen, dass sie im Sinne des Chefs, zum Wohle der Firma getroffen wurden. Murdoch verwies in der Anhörung darauf, dass er 53.000 Mitarbeiter habe, er und Sohn James also "ziemlich beschäftigte Leute" seien, die unmöglich über jede einzelne Entscheidung informiert sein könnten. Stimmt schon - ist aber bedeutungslos: Je größer der Apparat, desto wichtiger wird der beschriebene Grundkonsens. Niemand erwartet von ihm, dass er Straftaten deckt, doch wie er die Schuld prompt nach unten durchreicht, ist der Skandal im Skandal. Murdoch will seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, indem er anderen am Galgen den Vortritt lässt. Ein Gentleman - aber nur zum eigenen Vorteil.
Murdoch ging sogar so weit, die eigene Untätigkeit als Gefälligkeit der Staatsanwaltschaft gegenüber auszugeben, "um den Gang der Ermittlungen nicht zu beeinflussen", wie er sagte - der Gipfel des Zynismus.
James Murdoch, zuständig fürs Europa- und Asiengeschäft, redete mehr als sein zeitweise verwirrt wirkender Vater, sagte dabei aber auch kaum etwas Verwertbares. Ihr Auftreten signalisierte schon optisch Einigkeit: Sie erschienen im Partnerlook vor den Parlamentariern - blauer Anzug, weißes Hemd, blaue Krawatte - kurz: so dezent und seriös, wie Murdochs größtenteils auf Krawall gebürstete Medien schon vor dem Abhörskandal nicht verortet wurden.
Die Rasierschaumattacke auf Murdoch senior kam dann auch wie bestellt, machte den mutmaßlichen Komplizen einer systematischen kriminellen Überschreitung journalistisch-berufsethischer Grenzen zumindest kurzzeitig zu dem Opfer, als das ihn auch sein Wall Street Journal ausgab. Eine Rolle, die Murdoch gegen sein bolleriges Naturell derzeit nur zu gern ausfüllt, nimmt es ihn doch zumindest vorerst aus der Schusslinie, wenn er sich in dieser Affäre zum Hauptleidtragenden stilisiert, dessen Blatt News of the World von ein paar Kriminellen für deren Untaten gekapert wurde. Verbrechen, an denen er kräftig mitverdient hat.
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