piwik no script img

Mundwerk: Christoph Raffelt In Christof Eichels BiokonditoreiÜber Tofu, Dinkel und glutenfreie Torten

In vielen Bereichen ist „bio“ zum Marketingbegriff verkommen. Bei Eichel ist das anders

Mundwerk

von Christoph Raffelt

Bis vor wenigen Tagen hätte ich es nicht für möglich gehalten, aber es ist wahr. Ich habe eine Zitronen-Tofu-Tarte gegessen und fand sie köstlich. Als ich den ersten Bissen im Mund hatte, wusste ich noch nicht um die Inhaltsstoffe. Erst nach der Hälfte fragte mich der Konditor Christof Eichel, ob mir der Tofu in der Tarte denn schmecken würde.

Ich musste zwar kurz schlucken, konnte das aber aus vollem Herzen bejahen. Mir fehlte nichts: Das Zitronenaroma war klar und dominierend, die Füllung hatte die richtige Konsistenz und der Vollkorn-Mürbeteigboden war so, wie er sein soll. „Es sind halt Biozitronen vom Markt“, sagte der Konditormeister. Und die bieten einen anderen Geschmack als Zitronen-Konzentrat oder gleich die fertige Füllung, wie sie in der Branche oft verwendet wird.

Christof Eichel ist Biokonditor – der erste zertifizierte in Norddeutschland. Und das, was er in Hamburg seit mehr als zehn Jahren herstellt, macht er mit Leidenschaft. Man kann ihm beim Arbeiten über die Schulter schauen und sich mit ihm unterhalten, während er Nussecken in Schokolade tunkt. Seine Torten, Kuchen und sein Gebäck entstehen fast ausschließlich in Handarbeit. Neben dem Ofen und dem Rührer benutzt er kaum technisches Gerät – schon wegen der vegan und glutenfrei hergestellten Produkte, die einen großen Teil seines Angebots ausmachen.

In vielen Bereichen ist „bio“ zum Marketingbegriff verkommen. Bei Eichel ist das anders. Er wollte den Schritt vom konventionellen Konditor zum Bioerzeuger konsequent gehen. Das hat seinen Preis. Ein Beispiel? Eichel verwendet im Monat zirka zwei Kilo zertifizierte Madagaskar-Vanille. Der Kilopreis liegt bei rund 400 Euro. Anderswo verwendet man gerne Vanille-Ersatzstoffe zu 20 Euro das Kilo. Während die Lebensmittelindustrie die Branche mit Fertigprodukten überschüttet, geht Eichel übern Markt und kauft frische Produkte.

So sind nicht nur die Gestehungskosten höher als bei konventionellen Konditoreiwaren, er muss sich auch immer wieder Gedanken machen über das, was er mit den aktuell erhältlichen Zutaten anfangen kann. Bei ihm kommen, saisonal bedingt, rund 300 verschiedene Varianten übers Jahr zusammen.

Trotz des Mehraufwands nimmt Eichel für seine Erzeugnisse nicht mehr als seine Kollegen. Für eine konkurrenzlos geschmackvolle Schoko-Kirsch-Dinkeltorte, bei der man das Gefühl hat, jede einzelne Zutat schmecken zu können, habe ich 3,60 Euro bezahlt. Als mir das Stück auf der Zunge zergeht, werde ich poetisch und denke: Meister, du bist viel zu günstig, zieh’doch die Preise an, damit ich auch nächstes Jahr noch deine Torten essen kann!

Biokonditorei Eichel, Oster­straße 15, 20259 Hamburg, geöffnet Di bis So, 10 bis 19 Uhr, www.biokonditorei-eichel.de

Christoph Raffelt schreibt seit 2007 über Wein, Bier und handwerklich gemachte Produkte –vor allem in seinem Magazin origi nalverkorkt.de.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen