Multikultur und/oder Leit-/Light-/Leidkultur: Es ist so öde
Dem Begriff der „deutschen Leitkultur“ wird in letzter Zeit immer häufiger der Begriff „Multikulturelle Gesellschaft“ abwertend gegenübergestellt. Dies geschieht erschreckenderweise oft unwidersprochen.
[...] Die Frage ist nun, wie weit darf man es noch treiben mit dem geteilten Leid in der Kultur? Was ist alle verpflichtendes Leid in unserer Kultur? Gibt es da über die freiheitlich demokratische Grundordnung hinaus noch etwas, was für alle verpflichtend sein sollte? Ein in einer Rundfunkdiskussion verunsicherter Teilnehmer fragte: „Darf ich nun nur noch deutsche Musik hören und deutsche Gerichte zubereiten?“ Gibt es Einschränkungen in der Religionsfreiheit?
Ich meine, es sollte klar sein, dass für alle in unserem Staate Lebenden das Grundgesetz und damit die Menschenrechte Leitlinie sein sollten. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Sprachförderung und Beteiligung aller hier Lebenden an den Angeboten unserer Gesellschaft. Was darüber an Festlegungen und Einschränkungen in der Kulturfreiheit erfolgt, empfinde ich als äußerst problematisch und erinnert an Begriffe wie „Entartete Kunst“ und „Negermusik“. [...]
Dies spricht nicht dagegen, dass dort, wo Kulturen gegen die Menschenrechte verstoßen, zum Beispiel bei der Einschränkung von Frauenrechten in katholischer Kirche und Islam, mit Hilfe unserer Gesetze konsequent Abhilfe geschafft werden sollte.
ULRICH MÖLLER, Dortmund
So viel Aufregung um einen Schreibfehler! Natürlich meint Herr Merz die „Leidkultur“, die Ausländer in Deutschland nun einmal zu akzeptieren haben: Baseballschläger ins Gesicht, Springerstiefel in die Nieren, Benzinbomben ins Kinderzimmer.
Dazu als geistiger Überbau Stammtischprofilierung christlicher Demokraten à la „Leitkultur“: Um die Volksseele zu bedienen, wird politischer Flurschaden angerichtet – und danach scheinheilig erklärt, man habe doch nur das Wertebild des Grundgesetzes gemeint. WILM DIESTELKAMP-PERL, Berlin
Was meint Herr Friedrich Merz eigentlich, wenn er von „deutscher Leit-Kultur“ spricht? Haben wir es nicht heut zu Tage vielmehr mit „deutscher Light-Kultur“ zu tun, wenn ich nur mal so an das Privatfernsehn „Big Brother“, Ballermann etc. sowie an das sich im freien Fall befindliche Bildungsniveau denke?
Oder „Deutsche Leid-Kultur“? Die hatten wir von 1933–1945, und das brauchen wir wirklich nie, nie wieder. [...]
TILL DAMMASCHKE, Münster
Es gibt Begriffe, die schon auf Grund ihrer formalen Eigenschaften nicht hilfreich sind. Vor solchen Begriffen sollte man sich in Wissenschaft, Politik und Ehestreit hüten.
Meine verehrte Logiklehrerin hat es einmal so erklärt: Bilde einfache Begriffe und stelle mit diesen komplizierte Operationen an. Die PolitikerInnen, aber nicht nur diese, machen es umgekehrt. Sie legen alle ihre kognitiven Schwierigkeiten, von den emotionalen spreche ich diesmal nicht, in den Begriff hinein und treiben ansonsten für den Bau ihrer Sätze nur noch minimalen Aufwand. „Leitkultur ist“ oder „Leitkultur ist nicht“, „Multikultur kann, soll, darf dies oder jenes“. Es ist so öde.
DAGMAR PATTLOCH, Berlin
betr.: „Stolzer Deutscher“, taz vom 30. 10. 00
Oooooh Sloterdijk, Geliebter der Weißheit – ohne Begegnung – ohnes Gleichen!
Du hast erkannt, dass Herr Merz einen schwarz-rot-güldenen Kulturbeutel von Frau Merkel gefüllt mit Megaperls samt Waschanleitung gemeint hat, denn iiihhh, Ausländer sind ja auch immer so schmutzig. Die Printmedien wären jetzt mal wieder fein raus, und der Tivialität fast Genüge getan. Haha!
In die Rechtschreibfalle getappt. Schauen wir uns doch den figurbewussten Mann an und hören genau hin: Deutsche Light-Kultur! Wie soll er es denn jetzt zugeben, nachdem die Spende von „Du darfst“ ausnahmsweise schon ordentlich verbucht wurde?
Sie sind es ihm wert – die Ausländer.
DÖRTHE KUNKEL, Mülheim
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