Münchner Tatort-Jubiläum: Die ergrauten Brüder

Am Sonntag ermitteln die "Tatort"-Kommissare Batic und Leitmayr zum 50. Mal in München. Ihre Darsteller Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl sind inzwischen Konkurrenten und Vertraute zugleich.

Im Tatort "Liebeswirren" granteln sie wieder: Die Kommissare Batic und Leitmayr. Bild: dpa

MÜNCHEN taz Neulich hat die echte Polizei bei Udo Wachtveitl angerufen. Die geklaute Schwalbe war wieder da. Bis er auf seinem geliebten DDR-Moped heimtuckern konnte, sollte es allerdings noch dauern. "Das war ein bisserl schwierig", erinnert er sich. Zunächst ließ die "kriminalpolizeiliche Freigabebescheinigung" auf sich warten, dann kam heraus, dass die Öffnungszeiten der Kfz-Verwahrstelle mit dem Lebensrhythmus eines Schauspielers kaum kompatibel sind. Wenn Wachtveitl in schönstem Münchnerisch von seinem Anruf dort erzählt und gezwungen ist, Wörter wie "Objektleiter" in den Mund zu nehmen, wird schnell klar, wie fremd ihm der wahre Behördenalltag mit Arbeitszeiten von 7.30 Uhr bis 15.45 Uhr ist.

Am Sonntag werden Wachtveitl und sein Kollege Miroslav Nemec zum 50. Mal als Münchner "Tatort"-Kommissare Franz Leitmayr und Ivo Batic ermitteln. Deswegen sind beide heute hier, in diesem etwas gesichtslosen Café im Vollmarhaus, der Münchner SPD-Zentrale. Der Jubiläumsfilm heißt "Liebeswirren", ihr erster hieß "Animals". Er lief an Neujahr 1991, die Sakkos waren bunter und die Haare auch. Der Sendetermin war eine Ansage in Form einer Absage. Dominik Graf, Regisseur des hochgelobten Beitrags "Frau Bu lacht" (1995), wird den Amtsantritt von Leitmayr und Batic später hinten im Saal als "derart deutliche Abkehr des Münchner ,Tatorts' von jener älteren Nachkriegs-Männer-Kommissar-Generation" bezeichnen, "dass man schon im ersten Moment eures Auftretens das Gefühl hatte: So, das war jetzt aber höchste Zeit, dass zwei solche kommen".

Die neuen Ermittler standen nicht nur wegen ihrer Jugend für einen Modernisierungsschub, beide waren Anfang 30 und voller Ambitionen, sondern auch wegen ihres Umgangs miteinander, der sich so unerhört deutlich vom "klassischen Schema eines seriösen, soignierten älteren Kommissars mit drei jüngeren Assistenten, denen er haushoch überlegen ist" (Wachtveitl), abhob. "Ihr wart eher wie Brüder", sagt Graf in seiner Laudatio.

Ein Eindruck, der sich auch im Gespräch mit Wachtveitl und Nemec widerspiegelt - mit allem, was dazugehört, der Rivalität, dem Wettkampf, aber auch der Vertrautheit. Als man Franz Dinda für seine Darstellung eines herrlich dramatischen schwulen jungen Mannes in "Liebeswirren" lobt, fragt Wachtveitl mit Blick auf Nemec halblaut: "Wie wars denn mit ihm?" Und dann: "Zum 50. hättest du dich ruhig ein bisschen anstrengen können." Die Retourkutsche lässt nicht lange auf sich warten. Als Wachtveitl kritisch anmerkt, dass die Figuren sich über die Jahre immer ähnlicher geworden seien, das, was Graf "ein verblüffendes Januskopf-Paar" nennt, sagt Nemec: "Du hast dir alles abgeguckt. Das wollte ich dir schon immer mal sagen."

Ohne diese Frotzeleien geht es nicht - weder im "Tatort" noch im SPD-Café. Es ist der bisweilen etwas bemüht wirkende Versuch, Konkurrenz mit Humor zu nehmen. "Man geht in den Beruf, um vorzukommen und nicht um anderen den Vortritt zu überlassen", sagt Wachtveitl. "Wir haben allerdings gelernt, dass es schädlich wäre, jeden ,Tatort' mit dem Rechenschieber aufzuteilen. Mal steht der eine im Vordergrund, mal der andere."

Regisseur Jobst Oetzmann hat davon bei der Arbeit an "Im freien Fall" (2001) profitiert, der sich ganz auf eine Liebesgeschichte des notorischen Singles Leitmayr konzentriert. "Es soll aber auch schon vorgekommen sein, dass Wörter gezählt wurden", sagt Oetzmann, der Wachtveitl und Nemec seit rund zehn Jahren kennt und die Zusammenarbeit immer als konstruktiv empfunden hat - gerade weil beide sich so reinhängen. "Das Ringen um die Figuren hält die Spannung", ist er überzeugt. "Wenn beide nicht jedes Mal mit so viel Ehrgeiz und voller Kraft in die Dreharbeiten gehen würden, wäre das Ergebnis längst nicht so gut." Mitverantwortlich seien auch die guten Drehbücher und die "sehr klare und souveräne" Betreuung durch die Redakteurin Silvia Koller, "ein Glücksfall für einen Regisseur, weil sie vertraut und die Leute machen lässt". Diese Qualität bezeugen ein Bayerischer Fernsehpreis für "Kleine Diebe" (Regie: Vivian Naefe) und ein Grimme-Preis für Oetzmanns "Im freien Fall". Sein vierter BR-"Tatort" ist derzeit in Vorbereitung und soll 2009 gesendet werden.

Während die Medien über den 50. Fall für Leitmayr und Batic berichten, stecken Wachtveitl und Nemec schon mitten in den Dreharbeiten für ihren 52. Film. Darin geht es um den Boom der Esoterikszene. "Was die Relevanz der Themen angeht", sagt Nemec, "war die Redaktion immer auf dem Zeitgeist drauf, ihm teilweise sogar voraus." Und Wachtveitl betont, wie wichtig es ihm war, dass der "Tatort", dieses "Mainstream- und Popularinstrument der Aufklärung und der Moderne", in diesem Fall "nicht zum Plädoyer für Esoterik verkommt". Da fällt Nemec ein, was seine kroatische Tante, in der Familie "die Hexe" genannt, ihm einmal wahrgesagt hat: ",Der Miro wird Künstler und gern mal ins Glas schauen.' Das könnte ich in die Rolle einbauen." Keine schlechte Idee, findet Wachtveitl, da er mit einer Bemerkung wie "Du und Künstler?" den Wahrheitsgehalt solcher Vorhersagen anzweifeln könnte. "Das war gerade typisch", sagt er dann. "Wir versuchen Geschichten von früher einzubauen. Es ist nicht so, dass wir uns da selber verwirklichen wollen, aber die eigenen Erlebnisse sind ja der Steinbruch, aus dem man das klopft, womit man dann was anderes baut."

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